EU-Behörde: Europa erlebt bislang schwerste Vogelgrippe-Epidemie

03.10.2022 14:05

Von Spitzbergen bis Portugal und in die Ukraine: In Europa grassiert
eine Epidemie unter Vögeln von nie gesehenem Ausmaß. Millionen Tiere
in Geflügelbetrieben mussten bereits gekeult werden.

Stockholm/London (dpa) - Der jüngste Vogelgrippe-Ausbruch ist der
EU-Gesundheitsbehörde ECDC zufolge die schwerste jemals erfasste
derartige Epidemie in Europa. Laut einem am Montag veröffentlichten
Bericht der Behörde wurden während der Vogelgrippesaison 2021/2022
fast 2500 Ausbrüche in Geflügelhaltungen festgestellt. 48 Millionen
Tiere seien in den Haltungen gekeult worden.

Bei Wildvögeln wurden dem Bericht zufolge mehr als 3500 Fälle
festgestellt. Auch die geografische Ausdehnung des Ausbruchs sei
einmalig und erstrecke sich von Spitzbergen bis Portugal sowie bis in
die Ukraine. 37 europäische Länder seien betroffen. Bei anderweitig
gehaltenen Tieren, etwa in Zoos, seien fast 190 Fälle registriert
worden.

Grippeviren bei Tieren können nach Angaben des ECDC (European Centre
for Disease Prevention and Control) sporadisch zu Infektionen beim
Menschen und zu milden bis hin zu schweren Erkrankungen führen. Die
Viren hätten das Potenzial, sich stark auf die öffentliche Gesundheit
auszuwirken, wie Beispiele aus der Vergangenheit zeigten. Trotz der
starken Ausbreitung und trotz Vogelgrippe-Infektionen bei Säugetieren
habe es in den vergangenen Jahren im Europäischen Wirtschaftsraum
jedoch keine Übertragung auf den Menschen gegeben.

Weltweit habe es nur eine kleine Anzahl Übertragungen auf den
Menschen ohne Symptome oder mit milden Verläufen gegeben. Deshalb
befinde sich das Risiko für die Bevölkerung auf niedrigem Niveau,
wenn auch etwas höher für Menschen, die berufsbedingt infizierten
Vögeln ausgesetzt seien.

Die EU-Behörde verwies auf die Bedeutung von Tests von Menschen mit
Atemwegserkrankungen ungeklärten Ursprungs oder solcher, die kurz
zuvor Kontakt mit möglicherweise infizierten Tieren hatten. Es sei
von größter Wichtigkeit, etwaige Übertragungen früh zu erkennen.

Kürzlich hatte der Leiter des Nationalen Referenzlabors für Aviäre
Influenza am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) bei Greifswald mit
Blick auf die Vogelgrippe von einer ganz neuen Qualität gesprochen.
Ein Infektionsgeschehen mit dem Ausmaß wie im aktuellen Sommer
beobachte man zum ersten Mal, sagte Timm Harder. Seien die Ausbrüche
in früheren Jahren bedingt durch den Vogelzug vor allem saisonal
gewesen, träten sie jetzt ganzjährig auf. Zudem sei auch ganz
Nordamerika betroffen. Man könne von einer echten Pandemie bei
Wildvögeln sprechen, sagte der Experte.

In Großbritannien wird wegen der Epidemie bereits vor einer drohenden
Knappheit von Truthähnen in der Weihnachtszeit gewarnt. Es habe in
diesem Jahr bereits einige Fälle von Vogelgrippe bei Geflügelzüchte
rn
gegeben, sagte James Mottershead von der National Farmers Union am
Montag dem Sender Sky News. Solche Fälle in der Vorweihnachtszeit
könnten zu Engpässen führen. «Wenn man einen Ausbruch auf seinem Ho
f
hat und der Betrieb als infiziertes Gelände eingestuft wird, ist das
ernst.» Es könne bedeuten, dass man bis zu zwölf Monate lang seine
Produktion aussetzen müsse.

In diesem Jahr sind dem Bericht zufolge in Großbritannien bereits
mehr als drei Millionen Vögel infolge von Ausbrüchen gekeult worden,

an 155 Orten wurden Fälle von Vogelgrippe festgestellt. In mehreren
Regionen des Landes wurden Präventionszonen eingerichtet.