Putin schließt russische Annexionen ab - Achtes EU-Sanktionspaket

05.10.2022 20:37

Die völkerrechtswidrigen Annexionen von vier ukrainischen Regionen
durch Moskau ist mit einer Unterschrift Putins abgeschlossen. Die EU
bringt derweil ein achtes Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg.

Kiew/Moskau (dpa) - Mit seiner Unterschrift hat der russische
Präsident Wladimir Putin die völkerrechtswidrigen Annexionen von vier
Regionen in der Ostukraine abgeschlossen. Die entsprechenden Gesetze
traten damit in Kraft, wie der Kreml am Mittwoch bekanntgab. Die
Gebiete Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk gehören damit aus
Sicht Russlands offiziell der Atommacht. Dabei werden sie teilweise
noch hart umkämpft, die Ukraine meldete Rückeroberungen.

Wegen der russischen Verluste wächst die Sorge vor einer weiteren
Eskalation und einem Einsatz von Atomwaffen. Der EU-Außenbeauftragte
Josep Borrell warnte davor, dass sich Moskau durch die erlittenen
Rückschläge zu diesem Schritt gezwungen fühlen könnte. Kreml-Sprech
er
Dimitri Peskow stellte klar, dass die Russen ihre zuletzt wieder an
die ukrainischen Streitkräfte verlorenen Gebiete zurückerobern
wollten. Nach Angaben aus Kiew griff Russland erstmals Ziele in der
Nähe der ukrainischen Hauptstadt mit Kamikaze-Drohnen an.

Unterdessen hat die Europäische Union ein achtes Maßnahmenpaket gegen
Moskau auf den Weg gebracht. Die Sanktionen, die von den ständigen
Vertretern der Mitgliedstaaten gebilligt wurden, umfassen unter
anderem die rechtlichen Voraussetzungen für einen Preisdeckel auf
Öl-Importe aus Russland. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von
mehreren Diplomaten. Die Einigung sollte in den nächsten Stunden im
schriftlichen Verfahren von den Hauptstädten bestätigt werden.

Putin unterzeichnet Gesetz zur Annexion ukrainischer Gebiete

Per Unterschrift unter die entsprechenden Dekrete hat Wladimir Putin
die völkerrechtswidrige Annexion der besetzten Teile der ukrainischen
Gebiete Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk abgeschlossen. Er
unterzeichnete die von Staatsduma und Föderationsrat beschlossenen
Gesetze zur Integration der Regionen in russisches Staatsgebiet und
setzte sie in Kraft. Diese Regionen stehen damit offiziell unter dem
Schutz der Atommacht. Moskau kontrolliert aber nur Teile dieser
Gebiete im Süden und Osten der Ukraine. Die Ukraine meldete dort
zuletzt immer wieder Geländegewinne. Zunächst werden die Regionen von
Moskau eingesetzten Beamten geleitet, denn die Regionalparlamente
sollen erst im September nächsten Jahres gewählt werden.

Russland will von Ukraine befreite Gebiete nicht aufgeben

Moskau will die bei der jüngsten ukrainischen Gegenoffensive wieder
verlorenen Gebiete nicht aufgeben. Das Ziel sei, sie schnell wieder
unter Kontrolle zu bringen. «Sie werden für immer zu Russland
gehören», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow laut Agentur Tass.
Allerdings bereiten die Angriffe der Ukraine Russland Probleme bei
der Versorgung seiner Einheiten, wie britische Geheimdienste
meldeten.

EU-Chefdiplomat warnt vor nuklearer Eskalation im Ukraine-Krieg

Angesichts der ukrainischen Erfolge auf dem Schlachtfeld warnte der
EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor einem Atomwaffeneinsatz
Russlands. Der Krieg sei in eine neue Phase eingetreten, in der eine
Nuklearmacht Rückschritte mache und Drohungen im Raum stünden, dass
auch Kernwaffen eingesetzt würden, sagte der EU-Chefdiplomat. Davor
dürfe man nicht die Augen verschließen. «Das ist sicherlich ein
besorgniserregendes Szenario, in dem wir zeigen müssen, dass unsere
Unterstützung für die Ukraine nicht wankt», unterstrich der Spanier.


Auch der tschechische Präsident Milos Zeman warnte vor dem «ernsten
Risiko» eines nuklearen Konflikts. Seiner Ansicht nach sollte der
Westen den Kreml warnen, dass er in einem solchen Fall nicht nur mit
einer diplomatischen Reaktion, sondern mit einer «entschiedenen
militärischen Antwort» rechnen müsse: «Mit allen Folgen, die das
haben kann.»

Ukraine: Russland greift mit Kampfdrohnen Ziele bei Kiew an

Indes griffen die Russen laut ukrainischen Angaben erstmals Ziele
nahe Kiew mit Kamikaze-Drohnen an. Der Gouverneur des Gebiets Kiew
sprach von sechs Einschläge und Explosionen. Getroffen wurde demnach
Infrastruktur, ein Mensch sei verletzt worden. In der Nacht hatte es
in der Hauptstadt und dem angrenzenden Gebiet über drei Stunden lang
Luftalarm gegeben. Den Luftstreitkräften zufolge sind insgesamt zwölf
iranische Drohnen aus südlicher Richtung auf Ziele geflogen. Der Iran
hatte eine Lieferung offiziell bestritten.

EU-Staaten bringen neues Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg

Die EU-Staaten haben ein achtes Paket mit Sanktionen gegen Russland
auf den Weg gebracht. Die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten
billigten unter anderem rechtliche Voraussetzungen für einen von den
G7-Staaten unterstützten Preisdeckel für Ölimporte aus Russland. Das

bestätigten Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Die
Einigung muss noch im schriftlichen Verfahren von den Hauptstädten
bestätigt werden. Dies sollte bis Donnerstagvormittag geschehen. Teil
der Grundsatzeinigung zu den neuen Sanktionen sind verschiedene
Exportverbote, die etwa bestimmte Schlüsseltechnologien für die
Luftfahrt betreffen. Zudem soll es ein Importverbot für bestimmten
Stahl aus Russland geben. Auch soll es EU-Bürgern verboten sein,
Sitze in Führungsgremien russischer Staatsunternehmen einzunehmen.

Russische Kriegsgegnerin Owsjannikowa aus Hausarrest geflohen

Die wegen ihrer Kritik an Russlands Krieg gegen die Ukraine bekannt
gewordene frühere russische Fernsehredakteurin Marina Owsjannikowa
ist nach eigenen Angaben aus dem Hausarrest geflohen. Das schrieb die
44-Jährige im Nachrichtendienst Telegram. Der Hausarrest war nach
früheren Angaben bis kommenden Sonntag angesetzt worden. Owsjannikowa
steht auf einer Fahndungsliste. Der Arrest ist Teil eines
Strafverfahrens, in dem sie wegen der Verbreitung von angeblichen
Falschinformationen über die russischen Streitkräfte angeklagt ist.

Putin annektiert per Dekret Europas größtes Atomkraftwerk

Putin beauftragte seine Regierung per Dekret mit der Verstaatlichung
des ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja. Das AKW ist das größte
Kernkraftwerk in Europa und seit Anfang März von russischen Truppen
besetzt. Es ist in den vergangenen Monaten bei schweren Kämpfen
mehrfach unter Beschuss geraten und musste sogar heruntergefahren
werden.

Nato erklärt neuen Gefechtsverband an Ostflanke für einsatzbereit

Der zum besseren Schutz der Ostflanke aufgebaute Nato-Gefechtsverband
in der Slowakei ist einsatzbereit. Wie das Verteidigungsbündnis am
mitteilte, hat die multinationale Kampftruppe bei der jüngst
beendeten Übung Strong Cohesion («Starker Zusammenhalt») gezeigt,
dass sie ihre Aufgaben erfüllen kann. Diese folgte auf mehrere Monate
der Vorbereitung.

Beteiligt an dem neuen Gefechtsverband in der Slowakei ist auch
Deutschland. Die Bundeswehr war nach Ende September nach eigenen
Angaben mit etwa 550 Soldatinnen und Soldaten in dem westlich der
Ukraine gelegenen EU-Staat präsent. Zudem sind Tschechien, die
Vereinigten Staaten, Slowenien und das Gastland Slowakei mit dabei.