Nordkorea sieht Fortschritte beim Ausbau seiner atomaren Schlagkraft

19.11.2022 16:48

Die militärische Verteidigung seines Landes hat für den
nordkoreanischen Machthaber absoluten Vorrang. Kern der Politik ist
der Aufbau einer Nuklear-Streitmacht. Das macht Kim Jong Un auch nach
dem jüngsten Raketentest noch einmal deutlich.

Seoul (dpa) - Nordkorea sieht in einem nach eigenen Angaben
erfolgreichen Test einer neuen Interkontinentalrakete Fortschritte
beim Ausbau seiner nuklearen Schlagkraft zur Abschreckung der USA.
Die Streitkräfte hätten mit der Rakete «neuen Typs» ein weiteres
Mittel zur Hand, um «jede atomare Bedrohung abzuschrecken», zitierten
staatliche Medien des weithin isolierten Landes am Samstag Machthaber
Kim Jong Un. Die USA demonstrierten als Reaktion auf den Raketenstart

den zweiten Tag in Folge militärische Stärke und schickten für eine
Luftübung mit Südkorea Langstreckenbomber zur koreanischen Halbinsel.

Kim Jong Un hatte den Test beaufsichtigt und sich zum Raketenstart
überraschend mit seiner jugendlichen Tochter und Frau Ri Sol Ju
gezeigt. Staatsmedien veröffentlichten erstmals Fotos der Tochter.
Dass Kim mit ihr auftrat, bewerteten Beobachter als gezielte Geste,
um Selbstbewusstsein zu demonstrieren.

Den USA warfen Kim erneut vor, auf Konfrontationskurs zu sein und
Südkorea atomar zu bedrohen - ein Vorwurf, den Washington
zurückweist. Kim drohte, «auf Atomwaffen mit Atomwaffen und auf
totale Konfrontation mit uneingeschränkter Konfrontation» zu
antworten. Jede militärische Gegenaktion der USA und ihren
Verbündeten einschließlich Südkoreas werde zur Selbstzerstörung
führen, drohte er.

Nach Angaben Südkoreas feuerte Nordkorea am Freitag zum zweiten Mal
in diesem Monat eine Rakete ab, die theoretisch auch US-Territorium
erreichen könnte. Nordkorea identifizierte die Rakete als
«Hwasongpho-17» und brüstete sich damit, mit ihr jetzt über die
«weltweit stärkste strategische Waffe» zu verfügen. Sie sei nach
einem Flug in einer Höhe von bis zu 6040,9 Kilometern und einer
Distanz von knapp 1000 Kilometern in einem vorher angepeilten Gebiet
im Japanischen Meer (koreanisch: Ostmeer) ins Wasser gestürzt.

Die EU, die USA und ihre Verbündeten Südkorea und Japan verurteilten
den Raketentest. UN-Resolutionen verbieten Pjöngjang die Erprobung
von Interkontinentalraketen (ICBM) und anderer ballistischer Raketen,
die je nach Bauart mit einem Nuklearsprengkopf bestückt werden
können. Nordkorea hat seit Beginn des Jahres das Tempo und den Umfang
seiner Tests ballistischer Raketen deutlich erhöht.

In einer am Samstag veröffentlichten EU-Erklärung hieß es, die
fortgesetzten Bemühungen Pjöngjangs, immer bedrohlichere
Trägersysteme für Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, gefährdeten

alle Länder. Der neue Raketentest sei rechtswidrig und rücksichtslos.

Die US-Regierung stufte den Test hingegen als zutiefst beunruhigend,
aber nicht als Gefahr für die Vereinigten Staaten ein. Mit jedem
Raketenstart lerne Nordkorea dazu - und das sei besorgniserregend,
sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates,
John Kirby, am Freitag (Ortszeit) in Washington. Nordkoreas
Raketenprogramm wachse weiter, was nicht nur die koreanische
Halbinsel, sondern die gesamte Region destabilisiere.

Kampfjets der USA und Südkoreas eskortierten bei einer erneuten
Luftübung am Samstag nach Angaben des südkoreanischen Militärs
amerikanische B-1B-Langstreckenbomber. Fotos des Militärs zeigten
zwei dieser Überschallbomber, die in ihrer jetzigen Ausstattung nur
für konventionelle Waffen ausgelegt sind, im Flug.