) UN-Klimakonferenz: Ärmere Länder erhalten Ausgleich für Klima-Schäd en Von Larissa Schwedes, Johannes Sadek, Martina Herzog und Torsten Holtz, dpa

20.11.2022 07:26

Seit drei Jahrzehnten fordern ärmere Staaten Geld für Klimaschäden.
Nun hat die Weltgemeinschaft einen Topf dafür beschlossen.
Außenministerin Baerbock lobt ein «neues Kapitel in der Klimapolitik»

- beim Eindämmen der Krise gibt es jedoch viel Frust.

Scharm el Scheich (dpa) - Es ist ein Durchbruch nach jahrzehntelangen
Debatten: Die Weltklimakonferenz hat sich erstmals auf einen
gemeinsamen Geldtopf zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren
Ländern geeinigt. In ihrer Abschlusserklärung bekräftigten die rund
200 Staaten am frühen Sonntagmorgen außerdem ihre frühere
Entscheidung, schrittweise aus der Kohle auszusteigen. Ein Abschied
von Öl und Gas wird aber nicht erwähnt. Damit bleibt die Erklärung
hinter den Forderungen vieler Staaten, Klimaaktivisten und Experten
zurück, die ein Ende der Abhängigkeit von schmutzigen Energieträgern

als zwingend betrachten.

Der neue Ausgleichsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung
abfedern - etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme
,
aber auch der steigende Meeresspiegel und Wüstenbildung. Die Frage
hatte sich als größter Streitpunkt durch die zweiwöchige Konferenz in

Scharm el Scheich gezogen, die um mehr als 36 Stunden verlängert
wurde.

In dem Beschluss werden keine Summen für den neuen Fonds genannt und
auch nicht, wer genau einzahlen soll. Dies soll später geklärt
werden. Begünstigt werden sollen Entwicklungsländer, die besonders
gefährdet sind.

In der Abschlusserklärung werden die Staaten außerdem aufgefordert,
ihre größtenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens
zur
nächsten Klimakonferenz nachzubessern. Diese findet Ende 2023 in den
Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Die Nachbesserungen bleiben
freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht.

Die Konferenz, zu der etwa 34 000 Teilnehmer ans Rote Meer gereist
sind, war am Freitagabend in die Verlängerung gegangen. In der Nacht
zum Samstag war nach schleppenden und teils chaotischen Abläufen in
Verhandlungskreisen Beunruhigung ausgebrochen. Nach zähen Beratungen
folgte am frühen Sonntagmorgen schließlich der Durchbruch.

Die USA hatten den neuen Ausgleichsfonds zunächst blockiert, während
die als G77 bekannte Gruppe aus mehr als 130 Entwicklungsländern
zusammen mit China Druck aufbaute. Die Europäische Union schwenkte
nach anfänglicher Zurückhaltung schließlich um.

UN-Generalsekretär António Guterres nannte den neuen Fonds für
Klimaschäden einen wichtigen Schritt in Richtung Gerechtigkeit.
«Sicherlich ist das nicht ausreichend, aber es ist eine dringend
notwendiges Signal, um verloren gegangenes Vertrauen wieder
aufzubauen.» Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte:
«Damit schlagen wir ein neues Kapitel in der Klimapolitik auf.»

Umstritten bei dem Thema ist unter anderem die Rolle Chinas. Das
Land, das beim Ausstoß klimaschädlicher Emissionen den ersten Platz
belegt, will im internationalen Klimaschutz weiter als
Entwicklungsland behandelt werden. So wurde es vor 30 Jahren im
Kyoto-Protokoll festgelegt. Westliche Staaten wollen das Land wegen
seiner Wirtschaftskraft und der Rolle als größter Verursacher von
Treibhausgasen aber nicht länger als Empfängerland einstufen. Chinas
Unterhändler Xie Zhenhua sagte, Entwicklungsländer sollten das Geld
erhalten, räumte «verletzlichen Staaten» aber Vorrang ein.

Bei der drängenden Eindämmung der Erderwärmung stellen
Umweltorganisationen der Konferenz ein ungenügendes Zeugnis aus. Das
«deprimierende Ergebnis» gehe darin nicht über die Klimakonferenz im

vergangenen Jahr hinaus, kritisierte Klima-Experte Jan Kowalzig von
Oxfam. Es sei nicht einmal gelungen, einen klaren Fokus auf den
Ausbau erneuerbarer Energien zu legen - was insbesondere am
Widerstand Saudi-Arabiens gelegen habe.

Baerbock beklagte: «Dass aufgrund der Blockade von einigen großen
Emittenten und ölproduzierenden Staaten überfällige Schritte zur
Minderung und zum Ausstieg aus fossilen Energien verhindert wurden,
ist mehr als frustrierend.» Auch EU-Vizekommissar Frans Timmermans
kritisierte die Abschlusserklärung sei «nicht genug als Schritt voran
für die Menschen und den Planeten».

2015 hatte die Weltgemeinschaft in Paris vereinbart, die Erwärmung
möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, im Vergleich zur
vorindustriellen Zeit. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad
erwärmt, Deutschland noch stärker. Ein Überschreiten der
1,5-Grad-Marke erhöht nach Warnungen der Wissenschaft deutlich das
Risiko, sogenannte Kippelemente im Klimasystem und damit
unkontrollierbare Kettenreaktionen auszulösen.

Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin
Kaiser, lobte den Beschluss zu Ausgleichszahlungen, mahnte aber an:
«Nun müssen die Verursacher der Klimakrise zu ihrer Verantwortung
stehen und den neuen Hilfstopf ordentlich befüllen.» Gerächt habe
sich allerdings, dass die Industriestaaten den Entwicklungsländern
seit Jahren die zusagten Hilfszahlungen schuldig geblieben sind.

Eigentlich sollten Letztere mit 100 Milliarden US-Dollar jährlich
unterstützt werden. Dass dies nicht passiert sei, habe verständliches
Misstrauen ausgelöst, so Kaiser. «Hätten insbesondere die USA ihre
Rechnung bezahlt, wären die G7 in einer besseren Verhandlungsposition
gewesen, auch China und andere Schwellenländer schon jetzt zur
Einzahlung in den Fonds zu verpflichten. Am Ende dieser
Klimakonferenz klebt somit ein kleines Pflaster auf einer riesigen
klaffenden Wunde.»