EuGH: Keine Abschiebung Kranker bei Gefahr erheblicher Schmerzen

22.11.2022 14:14

Luxemburg (dpa) - Kranke Menschen dürfen nicht in ein Land
abgeschoben werden, in dem es die einzig schmerzlindernde Behandlung
nicht gibt. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am
Dienstag in Luxemburg. (Rechtssache: C-69/21)

Hintergrund ist die Klage eines Russen, der mit 16 Jahren an einer
seltenen Form von Blutkrebs erkrankt ist. Er wird derzeit in den
Niederlanden behandelt, unter anderem mit medizinischem Cannabis
gegen die Schmerzen. In Russland ist eine Schmerztherapie mit
Cannabis nicht erlaubt. Der Mann stellte in den Niederlanden mehrere
Asylanträge, die alle abgelehnt wurden. Er ist der Ansicht, dass er
einen Aufenthaltstitel oder zumindest einen Aufschub der Abschiebung
bekommen müsse, da er ohne Cannabis-Behandlung nicht menschenwürdig
leben könne.

Der EuGH gab ihm Recht, stellte aber hohe Anforderungen. Auch wenn
jemand illegal in der EU sei, dürfe er nicht in ein Land abgeschoben
werden, wo es keine angemessene Versorgung gebe und die Gefahr
bestehe, dass seine Schmerzen dadurch erheblich und unumkehrbar
zunähmen. Voraussetzung ist allerdings, dass es die einzig
schmerzlindernde Behandlung in dem Land wirklich nicht gibt. Auch
müsse klar sein, dass der Mensch ohne die Behandlung so starke
Schmerzen hätte, dass der Entzug der Behandlung gegen die
Menschenwürde verstieße. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn dadurch

schwere und unumkehrbare psychische Störungen verursacht würden oder
der Betroffene zur Selbsttötung veranlasst werden könnte.