Litauen: Belarus schickt Migranten barfuß an die Grenze

23.11.2022 15:00

Vilnius (dpa) - Litauen hat dem benachbarten Belarus eine neue Taktik
bei der Lenkung von Migranten an die Grenze vorgeworfen. Nach Angaben
von Innenministerin Agne Bilotaite sollen belarussische Behörden
Migranten dazu anhalten, bei kaltem Wetter barfuß zu versuchen, die
Grenze zu dem baltischen EU-Land illegal zu überqueren. Damit solle
Druck auf den litauischen Grenzschutz ausgeübt werden, sagte
Bilotaite am Mittwoch in Vilnius.

Bilotaite zufolge sollen auf belarussischer Seite kleine Zeltlager
errichtet worden sein, um dort gezielt Migranten unterzubringen, die
illegal über die Grenze wollen. Litauen werde sie aber auch weiterhin
zurückweisen. Die Migranten erhielten vom Grenzschutz ein Hilfspaket
mit Lebensmitteln, Kleidung und Schuhen. «Die Tatsache, dass Menschen
barfuß an der Grenze ankommen, wird kein Grund sein, sie
hereinzulassen», sagte die Ministerin.

Nach Angaben des Vizechefs des Grenzschutzes, Rimantas Petrauskas,
wurden bereits neun Migranten aufgrund ihres Gesundheitszustands in
medizinische Einrichtungen eingeliefert. Es gebe aber deutlich mehr
Migranten, die nicht richtig gekleidet seien und versuchten, die
Grenze nach Litauen zu überqueren, sagte er der Agentur BNS zufolge.
Seit Januar wurden nach offiziellen Daten mehr als 10 000 Migranten
vom Grenzübertritt abgehalten.

Bilotaite sagte weiter, sie hoffe, dass auch internationale
Organisationen der Situation an der Grenze Aufmerksamkeit schenken
werden. Sie habe sich dazu an den Hohen Flüchtlingskommissar der
Vereinten Nationen und das Rote Kreuz gewandt. Wegen seiner strikten
Linie gegenüber Migranten war Litauen selbst in die Kritik geraten.

Litauen hat eine fast 680 Kilometer lange Grenze zu Belarus, die Teil
der EU-Außengrenze ist. Im Spätsommer und Herbst 2021 eskalierte die
Situation dort: Tausende Menschen versuchten, illegal in die EU zu
gelangen. Brüssel beschuldigte den belarussischen Machthaber
Alexander Lukaschenko, in organisierter Form Migranten aus
Krisenregionen an die EU-Außengrenze gebracht zu haben.