Cyberangriff auf EU-Parlament nach russlandkritischer Abstimmung

23.11.2022 18:05

Auf die Internetseite des Europaparlaments konnte zeitweise nicht
zugegriffen werden. Hintergrund ist eine Cyberattacke, nachdem das
Parlament eine Resolution gegen Russland verabschiedet hatte. Ein
Europaparlamentarier sieht in dem Angriff einen Warnschuss.

Straßburg (dpa) - Nachdem das EU-Parlament Russland in einer
Resolution als Unterstützer von Terrorismus bezeichnet hat, ist
die Internetseite der Institution angegriffen worden. «Unsere
IT-Experten setzen sich dagegen zur Wehr und schützen unsere
Systeme», schrieb die Präsidentin des Europaparlaments Roberta
Metsola am Mittwoch auf Twitter. Eine kremlnahe Hackergruppe habe zu
der Attacke bekannt. Zudem wies sie darauf hin, dass das Parlament
kurz vorher Russland als staatlichen Unterstützter von Terrorismus
bezeichnet habe.

Wegen zahlreicher Zugriffe war die Website des Parlaments am Mittwoch
nur eingeschränkt nutzbar, wie der Presseverantwortliche Jaume Duch
zuvor mitgeteilt hatte. Die Zugriffe stünden im Zusammenhang mit
einem sogenannten DDos-Angriff. Bei DDos-Attacken überrollen
Angreifer die Server ihrer Opfer mit einer Flut von Datenanfragen, um
diese lahmzulegen.

Im Telegramkanal «We Are Killnet» (Wir sind Killnet) wurde am frü
hen
Nachmittag ein Screenshot geteilt, das nahelegt, dass die Gruppe für
die Attacke verantwortlich sein könnte. Unabhängig bestätigt wurde
dies zunächst nicht. Die russische Hackergruppe «Killnet» ist schon

öfter im Zusammenhang mit Angriffen auf westliche Behörden
in Verbindung gebracht worden.

Mittwochmittag hatte das EU-Parlament die russlandkritische
Resolution mit großer Mehrheit verabschiedet, in der auch gefordert
wurde, die EU solle eine Terrorliste für Staaten wie Russland
schaffen. Konkret heißt es, dass eine Listung eines Landes als ein
«dem Terrorismus Vorschub leistender Staat» restriktive Maßnahmen
auslösen und Auswirkungen auf die Beziehungen der EU zu Ländern auf
dieser Liste haben könnte. Welche konkreten Auswirkungen eine
entsprechende Listung für Russland hätte, ist unklar und müsste von
den EU-Staaten entschieden werden.

Linke-Ko-Chef Martin Schirdewan sieht die Resolution kritisch, betont
aber: «Darauf offensichtlich mit einer großangelegten, kriminellen
Cyber-Attacke zu antworten, wirft ein klares Licht auf das
Demokratieverständnis der Angreifenden», so der Europaparlamentarier.

Der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen bezeichnete die Attacke als
Warnschuss. «Es ist ein Angriff auf das demokratische Herz Europas.»
Es werde nicht das letzte Mal gewesen sein, dass man Opfer von
solchen Angriffen werde. «Wir sind nicht ausreichend vorbereitet auf
solche Attacken», so der Europapolitiker.

Die Fraktion der Liberalen schrieb auf Twitter, der Cyberangriff
zeige Russlands Verachtung für die Demokratie. «Putins Hacker werden
uns nicht zum Schweigen bringen oder unsere Arbeit behindern.»