Streit um EU-Milliarden: Kommission plant Entscheidung gegen Ungarn

23.11.2022 19:11

Ungarn behauptete noch vor wenigen Tagen, alle Voraussetzungen für
die Freigabe von EU-Geldern in Milliardenhöhe erfüllt zu haben. Jetzt
kommen Prüfer der EU-Kommission zu einem anderen Ergebnis. Eskaliert
der Streit zwischen Budapest und Brüssel endgültig?

Brüssel (dpa) - Ungarn muss trotz der jüngst ergriffenen Maßnahmen
gegen Korruption die Aussetzung von EU-Zahlungen in Milliardenhöhe
befürchten. Experten der EU-Kommission seien nach einer Prüfung zu
dem Ergebnis gekommen, dass die von der Regierung in Budapest
veranlassten Maßnahmen gegen den möglichen Missbrauch von EU-Mitteln
nicht ausreichend seien, um das eingeleitete Verfahren zum Einfrieren
von Geldern zu beenden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am
Mittwoch in Brüssel. Es soll den anderen Mitgliedstaaten deswegen
vorgeschlagen werden, wie ursprünglich geplant rund 7,5 Milliarden
Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt zurückzuhalten.

Eine entsprechende Empfehlung wird den Planungen zufolge in der
kommenden Woche von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
und den 26 anderen Kommissionsmitgliedern beschlossen werden. Sie
könnte dann Anfang Dezember bei einem Treffen der Finanzminister der
EU-Staaten angenommen werden. Notwendig wäre dabei allerdings eine
qualifizierte Mehrheit - das heißt mindestens 15 der 27 EU-Staaten
müssten zustimmen und diese müssten zusammen mindestens 65 Prozent
der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.

Düster sieht es für Ungarn auch mit Blick auf die erhoffte Auszahlung
milliardenschwerer Corona-Hilfen der EU aus. So will die
EU-Kommission zwar eine positive Empfehlung zu dem ungarischen Plan
zur Mittelverwendung abgeben. Auszahlungen soll es aber nur dann
geben können, wenn das Land 27 Voraussetzungen erfüllt. Dazu gehören

auch die, die in dem Rechtsstaatlichkeitsverfahren formuliert wurden.
Aus der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität der EU will Ungarn
5,8 Milliarden Euro an Zuschüssen erhalten.

Mit Spannung werden die weiteren Entwicklungen vor allem deswegen
erwartet, weil Ungarn erhebliche Mittel in der Hand hält, um Druck
auf die EU auszuüben. So könnte die Regierung in Budapest
beispielsweise alle Entscheidungen blockieren, für die in der EU
Einstimmigkeit erforderlich ist. Das gilt zum Beispiel für Sanktionen
gegen Russland oder Beschlüsse zur Unterstützung der Ukraine.

Wegen Korruption und anderer Verstöße gegen den Rechtsstaat in Ungarn
hatte die EU-Kommission im September vorgeschlagen, dem Land vorerst
Zahlungen in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt zu
kürzen. Ungarn sagte daraufhin Abhilfemaßnahmen zu, die das Verfahren
stoppen sollten. So wurde unter anderem die Gründung eines neuen
Amtes für Integrität beschlossen, das den Missbrauch von
EU-Fördermitteln aufdecken und unterbinden soll. Noch am Freitag
hatte die ungarische Justizministerin Judit Varga bei einem
EU-Ministertreffen in Brüssel gesagt, Ungarn erfülle vollständig alle

Verpflichtungen für eine Freigabe der Mittel.