Streit um EU-Gaspreisdeckel geht in die nächste Runde

24.11.2022 04:15

Seit Monaten streiten die EU-Länder über einen EU-Gaspreisdeckel, um
die hohen Energiepreise zu dämpfen. Die EU-Kommission hat nun einen
Vorschlag gemacht. Kann dieser den Knoten lösen?

Brüssel (dpa) - Die Mehrheit fordert ihn, andere verteufeln ihn,
Experten warnen vor ihm: Seit Monaten wird in der EU über einen
Gaspreisdeckel gestritten. An diesem Donnerstag kommen die für
Energie zuständigen EU-Minister zu einem Sondertreffen in Brüssel
zusammen, um weitere Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise zu
beschließen. Dabei werden sie auch erstmals einen konkreten Vorschlag
der EU-Kommission besprechen, unter bestimmten Umständen den Preis
für Gas zu deckeln, das am Handelsplatz TTF verkauft wird.

Das dürfte für hitzige Diskussionen sorgen. Besonders Italien,
Griechenland, Belgien und Polen dringen auf einen Gaspreisdeckel,
Deutschland, die Niederlande und einige andere Staaten befürchten
jedoch Engpässe bei der Versorgungssicherheit. Andere Maßnahmen, um
gemeinsam Gas zu kaufen und Genehmigungen für Solaranlagen und andere
erneuerbare Energien zu beschleunigen, sind weniger kontrovers. Es
wird erwartet, dass die Minister sich auf diese zwei Initiativen
einigen können - dann könnten sie in Kraft treten. Der Ausgang des
Treffens ist angesichts des Gaspreisdeckel-Streits aber noch unklar.

Gaspreisdeckel für Notfälle

Die EU-Kommission schlägt vor, besonders heftige Preisausschläge im
europäischen Großhandel durch einen Preisdeckel einzudämmen. Das
betrifft bestimmte Transaktionen am Großhandelsplatz TTF, an den
viele Lieferverträge in der EU gekoppelt sind. Anders als die
Gaspreisbremse der Bundesregierung gilt der Deckel also für
Großkunden, die am TTF einkaufen, und nicht für Endverbraucher.

Konkret würde der Deckel automatisch greifen, wenn der Preis für im
Folgemonat zu lieferndes Gas zwei Wochen lang 275 Euro pro
Megawattstunde übersteigt und gleichzeitig mindestens 58 Euro höher
liegt als der Referenzpreis für Flüssiggas (LNG) am Weltmarkt.
Aufträge oberhalb des Preislimits würden dann nicht mehr akzeptiert.
Das Preislimit wurde jedoch bereits dafür kritisiert, dass es so hoch
ist und die Bedingungen so streng, dass es wohl nicht zum Einsatz
kommen würde. Daher dürfte der Deckel den Befürwortern wie Italien
nicht weit genug gehen, Gegnern wie Deutschland trotzdem zu weit.

Gemeinsame Gaseinkäufe

Die geballte Marktmacht der EU soll für niedrigere Gaspreise sorgen.
Die EU-Kommission schlägt vor, die Gasspeicher im kommenden Jahr
koordiniert zu füllen. Das soll auch verhindern, dass die Staaten
sich gegenseitig überbieten und die Preise hochtreiben. So sollen
Unternehmen einen Teil ihrer Nachfrage zentral bündeln, wofür dann
gemeinsame Angebote eingeholt werden können. Die Firmen könnten dann
entscheiden, ob sie sich in einem oder mehreren Konsortien
zusammentun, um das Gas gemeinsam einzukaufen.

Eilverfahren für Solaranlagen

Um russisches Gas zu ersetzen, sollen Solaranlagen und andere
erneuerbare Energie-Projekte im Eilverfahren genehmigt werden. Die
EU-Kommission schlägt vor, dass Solaranlagen innerhalb von maximal
einem Monat und Wärmepumpen innerhalb von drei Monaten bewilligt
werden müssen. Projekte mit erneuerbaren Energien würden durch das
Gesetz als im «überragenden öffentlichen Interesse» gelten. Somit
wären etwa Windparks von bestimmten Umweltschutzregeln ausgenommen
und vor Gericht schwerer anfechtbar. Die Regeln sollen ein Jahr lang
gelten, bis langfristige Gesetzesänderungen in dem Bereich verhandelt
wurden.