Nicht ohne Gaspreisdeckel: Staaten blockieren weitere Notmaßnahmen Von Laura Dubois, dpa

24.11.2022 18:23

Seit Monaten ringt die EU um weitere Maßnahmen gegen die hohen
Energiepreise. Bei einem Treffen in Brüssel setzen sich die
Befürworter eines europäischen Gaspreisdeckels durch - und blockieren
andere Gesetze, die eigentlich Konsens finden würden.

Brüssel (dpa) - Wegen des ungelösten Streits um einen europäischen
Gaspreisdeckel konnten die EU-Energieminister zunächst keine weiteren
Notfallmaßnahmen in der Energiekrise verabschieden. Unter anderem
Italien und Spanien blockierten am Donnerstag bei einem Treffen in
Brüssel den Beschluss von gemeinsamen Gaseinkäufen und schnelleren
Genehmigungen etwa von Solaranlagen. Mehrere Länder bestanden darauf,
dass diese beiden Vorhaben nur zusammen mit dem Gaspreisdeckel
verabschiedet werden können.

«Der Beschluss wird in allen Bereichen gemeinsam erfolgen, inklusive
in dem Bereich, wo es derzeit keine Einigung gibt», sagte der
italienische Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin nach dem
Treffen. Auch die Ministerin für ökologischen Wandel, Teresa Ribera,
bestand auf «Verbindungen» zwischen den Vorschlägen. Die Gespräche

sollen voraussichtlich bei einem weiteren Sondertreffen am 13.
Dezember fortgeführt werden.

Die Teilnehmer versuchten das Treffen dennoch als Erfolg zu
verkaufen. «Wir haben uns heute geeinigt auf die Prinzipien eines
Erneuerbaren-Boosters und auf mehr Energiesolidarität in Europa»,
sagte Staatssekretär Sven Giegold mit Blick auf die
Gesetzesinitiativen zu Gaseinkäufen und erneuerbaren Energien. «Wir
öffnen noch nicht den Champagner, aber legen die Flasche in den
Kühlschrank», scherzte der tschechische Industrieminister Jozef
Sikela, der die Gespräche leitete. Es gebe nur noch beim
Gaspreisdeckel Verhandlungsbedarf.

Dieser dürfte allerdings riesig sein. «Die Diskussion war sehr
erhitzt, und wie Sie alle wissen, gibt es sehr unterschiedliche
Ansichten über die Höhe des Preisdeckels, der von der Kommission
vorgeschlagen wurde», so Sikela. Kommt es am 13. Dezember nicht zur
Einigung, ist bereits ein nächstes Treffen eine Woche später
angesetzt.

Seit Monaten streiten die EU-Staaten um Maßnahmen, um den angesichts
des Ukraine-Kriegs stark schwankenden Gaspreis zu kontrollieren. Die
EU-Kommission hat unter dem Druck einer Vielzahl von Staaten
vorgeschlagen, den Preis für Gas zu deckeln, das am Handelsplatz TTF
verkauft wird. Konkret geht es um eine Preisgrenze von 275 Euro pro
Megawattstunde, die aber nur unter bestimmten Bedingungen ausgelöst
würde. Das würde Großkunden betreffen, die dort handeln - nicht die
Endverbraucher, wie etwa bei der Gaspreisbremse der Bundesregierung.

Mehr als die Hälfte der EU-Staaten befürwortet einen Deckel auf
EU-Ebene. Staaten wie Italien, Frankreich, Belgien, Malta, Spanien
und Polen finden den Vorschlag der Kommission allerdings nicht
ausreichend. «Für uns ist das ein Witz nach so vielen Wochen an
Diskussionen und Vorschlägen», sagte die polnische Umweltministerin
Anna Moskwa. Die spanische Ministerin Ribera sagte, der Vorschlag
entspreche nicht dem, was die EU-Staaten gefordert hätten. «Er
scheint entwickelt worden zu sein, um zu garantieren, dass er nie
angewendet wird.»

Deutschland sieht einen festen Deckel grundsätzlich kritisch. «Für
uns ist wichtig, dass die Märkte nicht durcheinander kommen, sondern
wir stattdessen die Ursachen für die hohen Preise angehen», sagte
Giegold. Das liege an der Abhängigkeit von russischem Gas, der
Knappheit von Gas und einem hohen Verbrauch. Es müsse zudem
verhindert werden, dass eine Preisbegrenzung letztlich zu einer
Angebotsknappheit führe. Ähnlich äußerte sich der niederländische

Energieminister Rob Jetten. «Es besteht ein hohes Risiko, dass die
Energieversorgungssicherheit und auch die Stabilität des
Finanzmarktes beeinträchtigt werden.»