EU-Innenminister beraten über illegale Migration

25.11.2022 06:50

Über das Mittelmeer kommen wieder deutlich mehr Migranten in die
Europäische Union. Die neue italienische Regierung macht deutlich,
dass sie das nicht akzeptieren wird. Nun gibt es in Brüssel ein
Krisentreffen.

Brüssel (dpa) - Die Innenminister der EU-Staaten beraten an diesem
Freitag bei einem Sondertreffen in Brüssel (15.30 Uhr) über die
wieder zunehmenden Probleme mit illegaler Migration. Ziel ist es vor
allem, den Streit über die Aufnahme von Bootsflüchtlingen zu
entschärfen, die von den Rettungsschiffen von Hilfsorganisationen im
Mittelmeer aufgenommen und dann in Richtung EU gebracht werden.
Italien hatte zuletzt einem solchen Schiff die Einfahrt in einen
Hafen verweigert, worauf dieses nach Frankreich fahren musste.

Die Regierung in Paris war darüber empört und verwies darauf, dass
Rettungsschiffe eigentlich ein Recht darauf hätten, in den
nächstgelegenen Hafen zu fahren. Italien kritisiert hingegen
mangelnde Solidarität anderer EU-Staaten bei der Aufnahme von
Flüchtlingen und fordert mehr Unterstützung. Zudem wird den
Besatzungen von Rettungsschiffen vorgeworfen, mit ihrem Einsatz im
Mittelmeer das Geschäft von Schleuserbanden zu fördern. Diese
brachten zuletzt vor allem Menschen aus Tunesien, Ägypten und
Bangladesch auf den lebensgefährlichen Weg in Richtung EU.

Grundlage der Gespräche der Innenminister soll ein Aktionsplan sein,
den die EU-Kommission am vergangenen Montag vorgelegt hat. Er sieht
insbesondere vor, die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und
Durchreiseländer zu intensivieren und in Nordafrika ein neues
Programm gegen Menschenschmuggel zu starten. Für den Einsatz von
privaten Seenotrettungsschiffen, die immer wieder Hunderte Migranten
in europäische Häfen bringen, könnte es einen speziellen Rahmen und
Richtlinien der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation geben.

Zudem soll der freiwillig von rund 20 EU-Staaten unterstützte
Solidaritätsmechanismus besser genutzt werden. Er wurde im Juni ins
Leben gerufen, um Länder zu unterstützen, in denen viele
Bootsflüchtlinge ankommen. Diplomaten kritisierten vor dem
Ministertreffen, dass der Aktionsplan nicht viel mehr als eine
Zusammenstellung alter Maßnahmen und Vorschläge sei. Weitreichende
Beschlüsse seien nicht zu erwarten.

Nach Angaben des Innenministeriums in Rom kamen in Italien seit
Anfang des Jahres bereits mehr als 94 000 Migranten an. Im Vergleich
zum Vorjahreszeitraum stieg die Zahl damit um etwa 53 Prozent. Die
zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson beschrieb die Situation am
Montag als nicht haltbar und verwies dabei auch darauf, dass nur die
wenigsten ankommenden Menschen wegen politischer Verfolgung ihre
Heimat verlassen.

«Wir müssen bedenken, dass eine deutliche Mehrheit der Menschen, die
heute über diese zentrale Mittelmeerroute ankommen, keinen
internationalen Schutz braucht», sagte Johansson. Viele von den
Menschen wollten in der EU vor allem Geld verdienen.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) rief die Innenminister dazu auf,
«Sicherheit und Solidarität in den Mittelpunkt ihres Handelns im
Mittelmeerraum und auf allen anderen Migrationsrouten zu stellen».
Während Staaten mit dem Finger aufeinander zeigten und
Schuldzuweisungen machten, gingen Leben verloren - in diesem Jahr
bereits fast 2000, kritisierte UNHCR-Chef Filippo Grandi.

Nötig seien mehr staatliche und besser koordinierte Such- und
Rettungsbemühungen, berechenbare Ausschiffungen an sicheren Orten
sowie ein beschleunigtes Verfahren, um diejenigen zu identifizieren,
die internationalen Schutz benötigen. Das Flüchtlingshilfswerk werde
die Staaten dabei unterstützen, humane Lösungen im Einklang mit dem
Völkerrecht zu finden, um weitere unnötige Todesfälle auf See zu
verhindern, erklärte Grandi.

Für Deutschland wird Staatssekretär Bernd Krösser zu dem Treffen in
Brüssel erwartet. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte am
Donnerstag im Bundestag, Deutschland habe derzeit «keine große
Migrationskrise».