Im neuen Jahr führt Kroatien den Euro ein und wird Schengen-Land Von Gregor Mayer, dpa
30.12.2022 07:00
Mehr als drei Millionen Deutsche verbrachten in diesem Jahr
Urlaubstage im malerischen Adrialand. Mit der Euro-Einführung und dem
Schengen-Beitritt erhöht sich ihr Komfort. Kommt aber mit dem Euro
auch der «Teuro»?
Zagreb (dpa) - Am 1. Januar führt das EU-Land Kroatien den Euro
anstelle der Landeswährung Kuna ein. Zugleich tritt das Land an der
Adria der grenzkontrollfreien Schengen-Zone bei. Für Millionen
Urlauber aus Deutschland bedeutet dies eine doppelte Erleichterung:
Sie müssen kein Geld mehr tauschen und ersparen sich
Wechselkursverluste; und ihr Reiseziel erreichen sie ohne oft
stundenlange Wartezeiten an den slowenisch-kroatischen
Grenzübergängen.
Kroatien trat 2013 der EU bei. Für die Einführung der europäischen
Gemeinschaftswährung musste es eine Reihe von Bedingungen erfüllen.
Der Wechselkurs ist festgelegt: ein Euro entspricht 7,5345 Kuna. Bis
zum 14. Januar besteht eine Übergangsfrist, in der noch in beiden
Währungen bezahlt werden kann. Kuna aus dem letzten Urlaub können bis
Ende 2023 bei Banken in Kroatien gebührenfrei umgetauscht werden -
bis zu jeweils 100 Münzen und Scheinen pro Transaktion.
Der Euro-Beitritt Kroatiens treibt die Produktion von Münzen im
gemeinsamen Währungsraum in die Höhe. Die Europäische Zentralbank
(EZB) hat den 19 Eurostaaten sowie Kroatien für 2023 die Herstellung
von Geldstücken im Gesamtvolumen von fast 2,6 Milliarden Euro
genehmigt. Kroatien plant demnach Euro-Münzen im Gesamtumfang von
rund 316 Millionen Euro - überwiegend für den täglichen Gebrauch.
Zuletzt führte Litauen 2015 den Euro ein, Kroatien wird das 20.
Euro-Land sein. Nach den EU-Verträgen sind alle Mitgliedsstaaten bis
auf Dänemark zum Beitritt zur Gemeinschaftswährung verpflichtet,
sobald sie die Voraussetzungen erfüllen. Mehrere Staaten verfolgen
dies aber nicht mit Nachdruck - etwa Schweden, Polen und Ungarn. Die
Schengen-Zone wurde zuletzt 2011 erweitert um den nicht zur EU
gehörenden Kleinstaat Liechtenstein.
Hohe Erwartungen im Fremdenverkehr
Vor allem der Fremdenverkehr hat hohe Erwartungen. Das Land mit der
langen Adriaküste und den vielen malerischen Buchten und Inseln lebt
stark vom Tourismus. 16 Millionen ausländische Urlauber, unter ihnen
3,4 Millionen Deutsche, verzeichnet die Statistik für die ersten elf
Monate 2022. 17,3 Millionen, darunter 2,9 Millionen Deutsche, waren
es im Rekordjahr 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie.
Beliebt ist das Urlaubsland auch bei Österreichern, Slowenen und
Polen (jeweils mehr als eine Million Reisende in 2022), aber auch bei
Italienern, Tschechen und Briten (jeweils mehr als 700 000 Reisende).
Inflationstreiber - oder alles gar nicht so schlimm?
Noch nie war eine Euro-Einführung von derartigen weltwirtschaftlichen
Verwerfungen begleitet wie aktuell. Russlands Krieg in der Ukraine,
gestiegene Energiekosten und Lieferprobleme im Zuge der
Corona-Pandemie erwiesen sich europaweit als Inflationstreiber. Mit
13,5 Prozent lag die Teuerungsrate in Kroatien im November etwas über
dem EU-Schnitt von 10,1 Prozent. Die Einmalwirkung durch die
Euro-Einführung bezifferte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis
aufgrund früherer Erfahrungen auf 0,1 bis 0,3 Prozentpunkte.
Mittelfristig werde sich das aber durch niedrigere
Währungsumrechnungskosten und niedrigere Zinssätze ausgleichen.
Prognosen zufolge soll die Inflation 2023 auf 5,7 Prozent sinken.
Kroatiens Bürger in eher banger Erwartung
Die Kroaten gehen wiederum von ihrer eigenen Lebenserfahrung aus und
rechnen damit, dass Handel und Dienstleister bei der Umrechnung
«aufrunden» werden, wo sie nur können. Die Beliebtheit der
Euro-Einführung hält sich deshalb in Grenzen. Nach einer Umfrage vom
April sind 55 Prozent der Bürger für den Euro, 42 Prozent lehnen ihn
ab. Dabei leben die Kroaten seit Jahrzehnten in einem doppelten
Währungssystem. Seit Millionen von ihnen ab den 1970er-Jahren als
Gastarbeiter in den Westen - häufig nach Deutschland - zogen und
Urlauber in Massen an die Adria strömten, ist es üblich, Immobilien,
Autos oder andere hochpreisige Güter in D-Mark und dann in Euro zu
bezahlen. Auf das eigene Geld - den jugoslawischen, dann den
kroatischen Dinar und schließlich die Kuna - blickte man eher
mitleidig herab. Das war das Geld für den täglichen Einkauf, für die
bescheidene Rente der im Land Gebliebenen, für das Taschengeld der
Kinder. Ideell hänge man nicht am lokalen Geld, schrieb der Kolumnist
Jurica Pavicic in der Zeitung «Jutarnji List»: «Dieselbe Währung, i
n
der man in Österreich ein Fremdenzimmer bucht, dieselbe Währung, die
Neffe und Schwiegertochter aus Frankfurt schicken, wird nun die
Währung sein, mit der man im Laden Milch und Extrawurst kauft.»
Stabilitätsanker für die Wirtschaft
Was Urlauber mit dem Wegfall der Wechselgebühren gewinnen, verlieren
Kroatiens Banken. Die Gewinneinbußen werden nach Expertenschätzung
1,4 Milliarden Kuna (185 Mio Euro) ausmachen, rund 20 Prozent des vom
Sektor erwirtschafteten Gewinns. Mittel- und langfristig überwiegen
aus Sicht von Ökonomen aber Vorteile. Die Teilhabe am Euro bedeute
mehr Widerstandskraft gegen äußere Schockwirkungen und besseren
Zugang zu Finanzmärkten. Das Währungsrisiko für Kreditgeber reduziere
sich, Kroatien komme an günstiger verzinste Darlehen.
Grenzenloses Reisen
Der Entfall der Kontrollen an den Grenzen zu Slowenien und Ungarn
sowie für Fähren nach Italien (für Flugreisende innerhalb des
Schengen-Raums ab 26. März) erleichtert Urlaubern, Geschäftsreisenden
und Pendlern das Leben. Um die Symbolwirkung zu unterstreichen, kommt
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Neujahrstag zum
slowenisch-kroatischen Grenzübergang Obrezje-Bregana.
Keine Party in der Hauptstadt
Die Kroaten feiern zwar gerne, aber wegen der eher verhaltenen
Akzeptanz der Euro-Einführung sieht die Regierung von
Ministerpräsident Andrej Plenkovic von großen Feierlichkeiten ab.
Finanzminister Marko Primorac und Nationalbank-Gouverneur Boris
Vujcic werden in den ersten Minuten des neuen Jahres an einem
Geldautomaten in der Zagreber Innenstadt einige Euro abheben.
Ansonsten werden die Kroaten Silvester feiern wie jedes Jahr.