EU-Korruptionsskandal: Mutmaßlicher Drahtzieher will kooperieren

17.01.2023 18:25

Im Korruptionsskandal um das EU-Parlament meldet die
Staatsanwaltschaft einen großen Erfolg. Einer der Hauptverdächtigen
will auspacken - und selbst davon profitieren. Hintergrund ist eine
Regelung, die sich an italienische Mafia-Ermittlungen anlehnt.

Brüssel (dpa) - Im EU-Korruptionsskandal hat der mutmaßliche
Drahtzieher Pier Antonio Panzeri eine umfassende Zusammenarbeit mit
der belgischen Justiz zugesagt. Wie die zuständige Staatsanwaltschaft
in Brüssel mitteilte, unterschrieb der ehemalige EU-Abgeordnete am
Dienstag eine entsprechende Vereinbarung. Im Gegenzug werde seine
Strafe reduziert. Die Behörde selbst sprach von einer «wichtigen
Entwicklung».

Der Italiener Panzeri gilt als wichtiger Akteur in dem Skandal, den
belgische Ermittler im Dezember aufgedeckt hatten. Dabei geht es um
mutmaßliche Einflussnahme aus Katar und Marokko auf politische
Entscheidungen des Europaparlaments. Im Fokus standen neben Panzeri
unter anderem auch die ehemalige Vizepräsidentin Eva Kaili und ihr
Lebensgefährte, der als Assistent eines Abgeordneten im Parlament
arbeitete. Ihnen wird die Beteiligung an einer kriminellen
Vereinigung, Geldwäsche und Korruption zur Last gelegt. Sie alle sind
in Untersuchungshaft.

Der Staatsanwaltschaft zufolge unterschrieb Panzeri die Vereinbarung
am Dienstag im Beisein seines Anwalts. Die Behörde nannte den
67-Jährigen eine der «Schlüsselfiguren» des Falls. Panzeri habe sic
h
verpflichtet, den Ermittlern umfassende Einblicke in die kriminellen
Strukturen zu liefern. Dazu gehören den Angaben zufolge unter anderem
die Namen derjenigen, die bestochen wurden, die versprochenen
Vorteile und finanzielle Arrangements mit anderen Ländern. Im
Gegenzug muss er nur verkürzt ins Gefängnis und eine Geldstrafe
zahlen. Außerdem sollen seine gesamten erworbenen Vermögenswerte
eingezogen werden, die derzeit auf eine Million Euro geschätzt
werden.

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft am Dienstag bereits mitgeteilt,
dass Panzeri seine Berufung gegen die im Dezember verhängte
Untersuchungshaft zurückgezogen hat. Panzeri saß von 2004 bis 2019
für die Sozialdemokraten im Europaparlament. Zuletzt leitete er die
Nichtregierungsorganisation Fight Impunity, die auch im Fokus der
belgischen Ermittler steht. Bei Durchsuchungen im Dezember fanden die
Ermittler Hunderttausende Euro Bargeld bei ihm.

Der Staatsanwaltschaft zufolge wurde nun das sogenannte
Pentiti-Gesetz angewendet. Der Name beziehe sich auf das italienische
Gesetz zur Kronzeugenregelung bei Mafia-Ermittlungen. Dabei
verpflichte sich ein Geständiger, «substanzielle, aufschlussreiche,
wahrheitsgemäße und vollständige Angaben» zur Beteiligung Dritter u
nd
zur eigenen Beteiligung zu machen.

Die Enthüllungen der belgischen Justiz vom 9. Dezember erschütterten
das Parlament nachhaltig. Präsidentin Roberta Metsola kündigte am
Montag erste Reformen an, die das Parlament transparenter und weniger
anfällig für Korruption machen sollen. Dazu gehören unter anderem
strengere Regeln für ehemalige Abgeordnete, die im Europaparlament
lobbyieren wollen. Auch sollen künftig alle Treffen von Abgeordneten
mit Dritten öffentlich gemacht werden, die in Verbindung zu einem
Bericht oder einer Entschließung stehen.

Nachdem die Vorwürfe der belgischen Ermittler öffentlich geworden
waren, setzte das Parlament die griechische Sozialdemokratin Kaili
noch im Dezember fast einstimmig als Vizepräsidentin ab. An diesem
Mittwoch soll über ihre Nachfolge entschieden werden.