EU kann Irans Revolutionsgarden nicht einfach auf Terrorliste setzen

19.01.2023 19:34

Brüssel (dpa) - Die vom Europäischen Parlament geforderte Einstufung
der iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation ist nach
Angaben aus dem Auswärtigen Dienst der EU nicht ohne Weiteres
möglich. Wie eine Sprecherin am Donnerstagabend auf Anfrage der
Deutschen Presse-Agentur mitteilte, ist für die Aufnahme einer
Organisation auf die EU-Terrorliste zum Beispiel eine nationale
Gerichtsentscheidung oder Verbotsverfügung einer Verwaltungsbehörde
notwendig.

«Das bedeutet, dass die EU-Ebene allein nicht ohne eine solche
nationale Entscheidung handeln kann», ergänzte sie. Die nationale
Entscheidung müsse sich zudem auf Handlungen beziehen, die unter die
unionsrechtliche Definition des Begriffs «terroristische Handlungen»
fielen.

Das Europaparlament hatte zuvor mit einer Resolution gefordert, die
Revolutionsgarden sollten samt ihrer Hilfstruppen auf die
EU-Terrorliste gesetzt werden. Zudem sprachen sich die Parlamentarier
unter anderem dafür aus, auch gegen Präsident Ebrahim Raisi und
Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei EU-Strafmaßnahmen wie
Einreiseverbote und Vermögenssperren zu erlassen.

Die Außenminister der EU-Staaten wollen am kommenden Montag bei einem
Treffen in Brüssel neue Iran-Sanktionen formell beschließen. Einer
Vorab-Einigung zufolge werden sie rund drei Dutzend Personen und
Organisationen treffen, die an der brutalen Unterdrückung von
landesweiten Protesten nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini
beteiligt sind. Wer genau sanktioniert wird, ist noch geheim. Klar
ist allerdings, dass die Revolutionsgarden zunächst nicht auf die
EU-Terrorliste gesetzt werden können.

Als Argument gegen die Einstufung der Revolutionsgarden als
Terrororganisation gilt auch, dass ein solcher Schritt die ohnehin
schon geringen Chancen auf eine Fortführung des Atomabkommens mit dem
Iran noch weiter mindern könnte. Mit diesem soll Teheran eigentlich
dauerhaft zu einem Verzicht auf die Entwicklung von Atomwaffen bewegt
werden.

Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod der iranischen
Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie starb am 16. September im
Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen Verstoßes
gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war.
Seit ihrem Tod steht die politische Führung durch Proteste gegen die
repressive Regierung und das islamische Herrschaftssystem unter Druck
wie seit Jahrzehnten nicht mehr.