Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Russland in zwei Fällen

24.01.2023 15:41

Straßburg (dpa) - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR) hat Russland wegen des Umgangs mit zwei
Menschenrechtsaktivisten verurteilt. Russland habe das Verbot der
Folter missachtet, sowie das Recht auf ein faires Verfahren und die
Meinungsfreiheit verletzt, erklärten die Richter am Dienstag.

Hintergrund sind die Klagen von zwei Aktivisten. Im ersten Fall wurde
ein Tschetschene, der sich für das Gedenken an die Opfer der
Tschetschenien-Kriege einsetzt, den Angaben zufolge bei seinen
Verwandten von bewaffneten Männern in Uniform aufgespürt,
zusammengeschlagen und mit Elektroschocks malträtiert. Er wurde zu
vier Jahren Gefängnis verurteilt, weil er angeblich Drogen bei sich
hatte. Der Mann legte ein Geständnis ab, zog dieses jedoch später
zurück, weil es unter Zwang entstanden sei. Der Gerichtshof
entschied, dass seine Behandlung einer Folter gleichgekommen sei.

Im zweiten Fall geht es um eine Familie von Menschenrechtsaktivisten
und Journalisten, die zuvor mit Kremlkritiker Michail Chodorkowski
zusammengearbeitet hatte. Ihre Wohnung wurde ohne gültigen Beschluss
durchsucht. Die Behörden beschlagnahmten den Angaben zufolge
elektronische Geräte und luden sensible Daten von den Computern der
Familie herunter. In einer demokratischen Gesellschaft dürften
Behörden nicht so wahllos vorgehen, urteilten die Richter nun.
Außerdem sei nicht auszuschließen, dass mit den Maßnahmen eigentlich

die journalistischen Quellen aufgedeckt werden sollten.

Russland muss den Klägern nun mehrere Tausend Euro Schadenersatz
zahlen. Das Land wurde vor einigen Monaten wegen des Angriffskrieges
gegen die Ukraine aus dem Europarat ausgeschlossen und ist damit kein
Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention mehr, für deren
Einhaltung der Gerichtshof sorgt. Am Gerichtshof für Menschenrechte
sind aber noch mehrere Tausend Klagen gegen Russland anhängig.
Allerdings hat Präsident Wladimir Putin bereits angekündigt, Urteile
des Gerichtshofs für Menschenrechte nicht anzuerkennen. Europarat,
Menschenrechtskonvention und Gerichtshof sind unabhängig von der EU.