EU-Parlament für Sanierungspflicht bei alten Gebäuden Von Marek Majewsky, dpa

14.03.2023 16:11

Sind Hausbesitzer künftig gezwungen, ihr Eigentum zu renovieren?
Damit die EU bis 2050 klimaneutral wird, sieht ein aktuelles Vorhaben
vor, dass besonders ineffiziente Gebäude saniert werden müssen. Es
sind aber auch Ausnahmen vorgesehen.

Straßburg (dpa) - Das EU-Parlament hat für strengere Anforderungen
an die Energieeffizienz von Gebäuden gestimmt. Demnach müssten in d
en
kommenden Jahren viele Immobilien saniert werden. Konkret sollen
Wohngebäude bis 2030 mindestens die Energieeffizienzklasse «E» und
bis 2033 die Energieeffizienzklasse «D» erreichen. Die sogenannte
Gesamtenergieeffizienzklasse soll ähnlich wie bei Haushaltsgeräten
auf einer Skala von «A» bis «G» angegeben werden. Das Vorhaben muss

noch mit den EU-Staaten ausgehandelt werden und war zuletzt
kontrovers diskutiert werden, weil unter anderem Politiker von
CDU und FDP darin eine Pflicht zu teuren Sanierungen sehen.

Warum gibt es Kritik? 

Es steht die Befürchtung im Raum, dass etwa hohe Sanierungskosten auf

viele Hausbesitzer zukommen könnten. «Wir können die Kosten im Kampf

gegen den Klimawandel nicht auf Omas Häuschen abwälzen», kritisiert
etwa der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke. Die
Grünen-Parlamentarierin Jutta Paulus sagt hingegen, Ziel sei es, den
Energieverbrauch von Gebäuden deutlich zu senken und so den
Geldbeutel der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schonen.

Der Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund, Kai Warnecke,
warnt vor einem dramatischen Wertverlust gerade bei älteren Gebäuden.
Die EU-Kommission betont hingegen, dass sich Renovierungen etwa durch
weniger Energieverbrauch auf lange Sicht auszahlten.

Wie viele Gebäude wären betroffen?

Angaben der EU-Kommission zufolge wären bei einer Renovierung von
Stufe «G» auf «F» etwa 30 Millionen Gebäudeteile, dazu zählen e
twa
Wohnungen, in der EU betroffen. Bei den in Klasse «G» eingestuften
Gebäuden handelt es sich den Angaben zufolge um die 15 Prozent der
Gebäude eines Landes, die am ineffizientesten sind.

In Deutschland wird die Energieeffizienzklasse noch auf einer Skala
bis «H» angegeben. Deswegen und weil sich an den konkreten Plänen
auch noch Aspekte ändern können, betont Haus & Grund, dass man den
Umfang nur schätzen könne. Demnach könnten in Deutschland mehr al
s
sieben Millionen Eigenheime betroffen sein, hinzu kämen rund 7,2
Millionen Wohnungen.

Wie teuer werden die Sanierungen?

Konkret hängt das vom Einzelfall ab. Jakob Grimm, Referent bei Haus
&
Grund, rechnet auf Grundlage der neuen Regeln zunächst eher mit
Einzelmaßnahmen. Das könnten bessere Fenster, neuere Heizungen oder

eine bessere Dämmung sein.

Für die Sanierungen soll aber auch Geld aus EU-Töpfen bereitgeste
llt
werden. Ende 2021 hieß es vonseiten der Kommission, dass bis 2030 bis
zu 150 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt zur Verfügung stünden. Das

Parlament spricht sich auch dafür aus, dass die EU-Staaten den Zugang
zu Zuschüssen und Finanzierungen erleichtern sollten.

Gibt es Ausnahmen? 

Der im Europaparlament für das Vorhaben federführend zuständige
Grünen-Abgeordnete Ciarán Cuffe betonte am Dienstag, dass dies
vorgesehen sei. Als Beispiele nannte er kleine Gebäude unter 50
Quadratmetern, religiöse oder denkmalgeschützte Gebäude und solche,
die nur vorübergehend genutzt werden, wie zum Beispiel Ferienhäuser.

Einer Mitteilung des Parlaments zufolge könnten die EU-Staaten aber
auch selbst weitere Ausnahmen erlauben, «je nachdem, ob die
Renovierungen wirtschaftlich und technisch durchführbar und
qualifizierte Arbeitskräfte verfügbar sind.»

Was passiert bei Verstößen gegen die Vorgaben?

Das steht noch nicht fest. Cuffe betonte, dass die EU-Staaten dafür
verantwortlich seien, mögliche Strafen festzulegen. Generell gilt,
dass die EU-Kommission gegen ein Land, das gegen EU-Recht verstößt,

ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen den entsprechenden
Staat einleitet und der EuGH am Ende eine Geldstrafe verhängen
könnte.

Warum sieht die EU-Kommission Handlungsbedarf?

Das Vorhaben geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission zurück. Sie
hatte diesen vorgelegt, etwa weil Gebäude ihren Angaben zufolge für
rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und rund ein Drittel der
Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich sind. Wenn Häuser
besser gedämmt sind oder moderne Heizungen verwendet werden, kann das
den Energiebedarf senken.

Die geplante Gesetzesänderung ist Teil des Klimapakets «Fit for 55»,

mit dem die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55
Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden sollen. Zudem sollen
Bewohnerinnen und Bewohner durch geringeren Verbrauch vor
sprunghaften Kosten durch Energiepreise geschützt werden.

Wie geht es weiter?

Mit der Abstimmung im EU-Parlament sind die Pläne noch nicht
beschlossen. Die EU-Staaten und das Europaparlament müssen noch einen
Kompromiss finden, bevor die Vorgaben in Kraft treten können. Diese
Verhandlungen ziehen sich in der Regel mindestens über
mehrere Monate. Cuffe hofft jedoch, noch bis Mitte des Jahres
einen Kompromiss zu finden. Änderungen an dem Vorhaben sind weiterhin

möglich.