Wohl und Wehe steigender Zinsen Von Jörn Bender und Friederike Marx, dpa

16.03.2023 14:51

Mit einer Serie von Zinserhöhung stemmen sich die Euro-Währungshüter

gegen die hohe Inflation. Für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber
auch für die Bankenwelt haben steigende Zinsen zwei Seiten.

Frankfurt/Main (dpa) - Lange mussten Sparer darben, nun sind die
Zinsen wieder da. Dank der geldpolitischen Wende der Europäischen
Zentralbank (EZB) werfen Tages- und Festgeld wieder etwas ab. Am
Donnerstag erhöhte die EZB die Zinsen im Euroraum erneut kräftig um
0,50 Prozentpunkte. Steigende Zinsen haben jedoch auch Schattenseiten
für Verbraucher.

Warum erhöht die EZB die Zinsen?

Die Notenbank stemmt sich gegen die hohe Inflation. Im Februar lagen
die Verbraucherpreise im Euroraum um 8,5 Prozent über dem Niveau des
Vorjahresmonats. Zwar schwächte sich der Preisauftrieb den vierten
Monat in Folge ab, aber die Zielmarke der EZB ist weiterhin weit
entfernt. «Den Projektionen zufolge bleibt die Inflation für eine zu
lange Zeit zu hoch», erklärte die EZB am Donnerstag. Hauptziel der
Notenbank sind stabile Preise und somit eine stabile Währung im
Euroraum. Das sieht die EZB erreicht, wenn die Teuerung bei zwei
Prozent liegt. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die
Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken.

Warum steigen die Sparzinsen nicht in gleichem Maße?

Viele Banken und Sparkassen bieten wieder Zinsen auf Tagesgeld und
Festgeld, seit die EZB im Sommer 2022 die Nullzinsphase beendete -
allerdings längst nicht alle. Nach Daten des Vergleichsportals
Verivox zahlen 282 von insgesamt 661 ausgewerteten Instituten bislang
keine Tagesgeldzinsen (Stand: 9. März). Vor allem Sparkassen und
Genossenschaftsbanken halten sich demnach noch zurück. «Die
Regionalbanken spekulieren auf die Treue ihrer Kunden und lassen sich
mit Zinserhöhungen Zeit», sagte Oliver Maier, Geschäftsführer der
Verivox Finanzvergleich GmbH. Bei bundesweit verfügbaren Angeboten
profitierten Sparer dagegen vom schärferen Konkurrenzkampf.

Was Sparer ebenfalls ärgert: Neukunden werden oft mit höheren Zinsen
gelockt als Geldhäuser für bestehende Guthaben herausrücken. Das ist

betriebswirtschaftlich verständlich: Sämtliche Einlagen plötzlich
deutlich höher zu verzinsen, würde für die Institute teuer. Zudem
verdienen sie im veränderten Zinsumfeld mit jedem neuen Kunden Geld.

Immerhin: Bankmanager versprachen zuletzt auch Bestandskunden
steigende Sparzinsen. «Ich bin sicher, dass der Trend dieses Jahr
deutlich nach oben geht, die Frage ist nur wie schnell», sagte etwa
ING-Deutschland-Chef Nick Jue Anfang Februar. Commerzbank-Vize-Chefin
Bettina Orlopp sprach Mitte Februar von einem Prozess: «Wir werden
jetzt den Markt beobachten und natürlich auch an unsere Kunden
Konditionen weitergeben.»

Haben Sparer unter dem Strich nun wirklich mehr Geld?

Leider nein. Bei Inflationsraten von über acht Prozent verpuffen
selbst Festgeldzinsen von drei Prozent und mehr. Der Realzins - also
der Zins abzüglich der Inflation - ist dann weiterhin negativ.

Welche Auswirkungen haben die steigenden Zinsen auf Kredite?

Die Zinsen zum Beispiel für Baufinanzierungen sind in den vergangenen
Monaten deutlich gestiegen. Die Höhe der Bauzinsen ist allerdings
nicht direkt von EZB-Zinsentscheidungen abhängig, sondern orientiert
sich an der Verzinsung von Bundesanleihen. Bereits vor den
Zinserhöhungen der Notenbank sind die Bauzinsen gestiegen. Höhere
Zinsen treffen vor allem diejenigen, die ein neues Darlehen brauchen
oder eine Anschlussfinanzierung für einen Immobilienkredit. Bei
laufenden Hypothekenkrediten ändert sich nichts an der Zinshöhe.

Die Zinsen für Ratenkredite haben sich nach Daten des
Vergleichsportals Check24 mit durchschnittlich 6,35 Prozent im
Februar im Vergleich zum Vorjahresmonat fast verdoppelt.

Verbraucherschützer kritisieren, dass Leitzinserhöhungen bei Krediten
in der Regel schneller und meist auch höher an die Kundschaft
weitergegeben würden als bei Geldanlagen.