EuGH-Gutachten: Schufa-Scoring verstößt gegen EU-Recht

16.03.2023 12:32

Neue Wohnung, neuer Handyvertrag oder Stromanbieterwechsel - da kommt
schnell die Schufa ins Spiel. Ihre Berechnung zur Kreditwürdigkeit
von Menschen steht nun auf dem Prüfstand.

Brüssel (dpa) - Die Erstellung sogenannter Score-Werte für die
Kreditwürdigkeit durch die Schufa verstößt nach Ansicht eines
Gutachters am Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen Europarecht.
Außerdem dürfe die Schufa Daten aus öffentlichen Verzeichnissen - wie

die Register der Insolvenzgerichte - nicht länger speichern als das
öffentliche Verzeichnis selbst, teilte der EuGH-Generalanwalt Priit
Pikamäe in seinen Schlussanträgen am Donnerstag in Luxemburg mit. Ein
Urteil wird in einigen Monaten erwartet. Ein solches Gutachten ist
für die Richter nicht bindend, oft folgen sie ihm aber.

Banken, Telekommunikationsdienste oder Energieversorger fragen meist
bei privaten Auskunfteien wie der Schufa nach der Kreditwürdigkeit
einer Person. Die Schufa liefert dann eine Einschätzung, den
sogenannten Score-Wert. Der soll zeigen, wie gut der Betreffende
seine Zahlungsverpflichtung erfüllt.

Hintergrund des Verfahrens vor dem EuGH sind mehrere Fälle aus
Deutschland. Im ersten Rechtsstreit forderte der Kläger die Schufa
auf, einen Eintrag zu löschen und ihm Zugang zu den Daten zu
gewähren, nachdem ihm ein Kredit verwehrt wurde. Die Schufa teilte
ihm jedoch nur seinen Score-Wert und allgemeine Informationen zur
Berechnung mit. Die Berechnungsmethode an sich ist ein
Geschäftsgeheimnis, wie der Bundesgerichtshof (BGH) bereits vor
Jahren entschieden hatte. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden legte den
Fall dem EuGH vor, um grundsätzlich das Verhältnis zur europäischen
Datenschutzgrundverordnung klären zu lassen.

Diese Verordnung schreibt vor, dass Entscheidungen, die für
Betroffene rechtliche Wirkung entfalten, nicht nur durch die
automatisierte Verarbeitung von Daten getroffen werden dürfen. Eine
Maschine soll also nicht über einen Menschen entscheiden. Der
Generalanwalt befand nun, dass bereits die automatisierte Erstellung
eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Kreditwürdigkeit - der
Score-Wert - eine solche verbotene automatische Entscheidung
darstelle. Das gelte auch, wenn dann noch Dritte wie beispielsweise
Banken endgültig entschieden, ob die Person kreditwürdig sei.

Im zweiten Fall geht es um die Restschuldbefreiung nach einer
Insolvenz. Privatleute haben die Möglichkeit, sich durch eine
Verbraucherinsolvenz innerhalb eines begrenzten Zeitraums von ihren
Schulden zu befreien, auch wenn sie nicht alles zurückzahlen können.
Am Ende eines erfolgreichen Verfahrens steht die sogenannte
Restschuldbefreiung.

Die Insolvenzgerichte machen solche Informationen öffentlich, löschen
sie aber nach einem halben Jahr. Die Schufa löscht solche Einträge in
ihrem Register allerdings erst nach bis zu drei Jahren. Das ist nach
Ansicht des EuGH-Generalanwalts rechtswidrig. Ziel der
Restschuldbefreiung sei es, dass die Betreffenden sich wieder am
Wirtschaftsleben beteiligen können. Das würde vereitelt, wenn private
Wirtschaftsauskunfteien die Daten über die Insolvenz länger speichern
dürften. Der Bundesgerichtshof prüft derzeit einen ähnlichen Fall.