FDP und Grüne in Ampel uneinig bei EU-Lockerungen für Gentechnik

16.03.2023 15:20

Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einer Novelle für den Anbau von
gentechnisch veränderten Pflanzen. In der Bundesregierung sorgt das
Thema für widersprüchliche Aussagen. Kritik kommt auch aus Bayern.

Brüssel (dpa) - In der Debatte um die Lockerung der EU-Vorschriften
für gentechnisch veränderte Pflanzen konnte sich die Bundesregierung
bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Das von den Grünen
geführte Bundesumweltministerium äußerte sich am Donnerstag
skeptisch, dagegen signalisierte das von der FDP geführte
Bundesforschungsministerium grundsätzliche Unterstützung. In Bayern
stoßen die Pläne auf große Vorbehalte.

«Das Bestreben der EU-Kommission, die Risikoprüfung für Pflanzen, die

mit neuen genomischen Techniken hergestellt sind, abzuschwächen, geht
in die falsche Richtung», sagte ein Sprecher des
Bundesumweltministeriums auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Das Thema steht auf Wunsch Österreichs beim Treffen der
EU-Umweltminister an diesem Donnerstag in Brüssel auf der Agenda.

Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler sagte laut
Mitteilung: «Gerade bei Produkten, die vielfältige Auswirkungen auf
Mensch und Umwelt haben können, muss eine ausreichende und
ausgewogene wissenschaftliche Basis die Grundlage einer Neuregelung
sein.» Sie forderte fundierte Kriterien für eine Risikoabschätzung
der entsprechenden Produkte der neuen Gentechnik.

Das Bundesumweltministerium betonte, der aktuelle breite
Diskussionsprozess zum Thema sei begrüßenswert. Wichtig sei, dass das
Vorsorgeprinzip gewahrt, die Wahlfreiheit von den Landwirtinnen und
Landwirten bis zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern gewährleistet
und die Koexistenz verschiedener Anbausysteme gesichert werde.

Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) äußerte sich
skeptisch: «Ich stehe den neuen Plänen der EU zurückhaltend
gegenüber, die gezielte Eingriffe mit einer sogenannten Genschere
vorsehen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur in München. Für die

Medizin seien die neuen Möglichkeiten der genomischen Techniken sehr
hilfreich, um Krankheiten zu heilen. «Ich gehe aber davon aus, dass
die Menschen entsprechend veränderte Lebensmittel nicht auf dem
Teller haben wollen.» Zunächst müsse aber der konkrete Vorschlag der

EU-Kommission abgewartet werden.

Das Forschungsministerium verwies auf eine Aussage von Hauschefin
Bettina Stark-Watzinger (FDP) aus der «Frankfurter Allgemeinen
Zeitung»: «Die Regeln sind veraltet und hemmen die Erforschung und
Anwendung neuer Technologien. Daher freue ich mich sehr, dass die
EU-Kommission diesen Weg geht und wir in Deutschland in die
Diskussion einsteigen können. Das Gentechnikrecht muss
innovationsfreundlicher und wissenschaftsbasiert werden und bezogen
auf Geneditierung auch risikoangepasst.»

Der BUND-Naturschutz stützte die Haltung des Umweltministeriums:
«Vorsorgeprinzip, Transparenz und Wahlfreiheit müssen gesichert
bleiben. Auch der BUND fordert, dass Verbraucherinnen und
Verbraucher, Landwirtschaft und Lebensmittelbranche weiterhin die
Wahl haben», sagte die beim BUND für Gentechnik zuständige Daniela
Wannemacher. Gentechnisch veränderte Organismen müsst auch in Zukunft
gekennzeichnet werden, zurückverfolgt werden können sowie ordentlich
zugelassen und auf Risiken überprüft werden.

Derzeit wird in der EU-Kommission an der Überarbeitung der
EU-Gentechnikregeln und ihren Folgen gearbeitet. Im April 2021 hatte
die Kommission mitgeteilt, dass das Gentechnikrecht überarbeitet
werden solle. Die EU-Kommission will voraussichtlich im Juni einen
konkreten Vorschlag für einen Gesetzestext veröffentlichen. Im
Anschluss müssten sich EU-Staaten und Europaparlament noch über das
Vorhaben einig werden.

Am Ende dieses Prozesses könnte sich entscheiden, inwieweit
Gentechnik in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann - und damit
würde auch beeinflusst werden, inwiefern gentechnisch veränderte
Lebensmittel bei den Verbrauchern auf dem Teller landen.

Die neuen Möglichkeiten der Gentechnik erlaubten «vielfältigste und
wirklich tiefgreifende Veränderungen im Genom», hieß es weiter aus
dem Umweltministerium. «Deren mögliche Auswirkungen sind im Vergleich
zu den sich bietenden Möglichkeiten wenig erforscht. Gerade wichtige
Biodiversitätsfragen wie beispielsweise nach dem Risiko der
Auskreuzung in eventuell vom Klimawandel gestresste Ökosysteme sind
heute noch unbeantwortet und erfordern weitere Forschung.»

Weiter hieß es: Das EU-Recht biete eine gute Grundlage, um die
Risiken systematisch zu analysieren, die Nachverfolgbarkeit von
gentechnisch veränderten Organismen in der Natur sowie die
Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch der
Lebensmittelwirtschaft, Landwirtinnen und Landwirte zu gewährleisten.
Dabei dürfe es keine Abstriche geben. Nur so könne gewährleistet
werden, «dass die Pflanzen, die auf den Markt kommen, auch sicher für
Mensch und Natur sind.»

Befürworter gelockerter Vorschriften für den Anbau gentechnisch
veränderter Pflanzen betonen, dass die neuen gentechnisch veränderten
Pflanzen eine Lösung für die Herausforderungen der Landwirtschaft
infolge des Klimawandels seien.