EZB entschlossen im Kampf gegen Inflation trotz Bank-Turbulenzen

16.03.2023 16:26

Die Europäische Zentralbank erhöht zum sechsten Mal in Folge die
Zinsen. Trotz der jüngsten Unsicherheiten in der Bankenbranche hält
die Notenbank damit an ihrem Kurs fest.

Frankfurt/Main (dpa) - Die Euro-Währungshüter lassen sich trotz der
jüngsten Turbulenzen im Bankensektor nicht von ihrem Kampf gegen die
hohe Teuerung abbringen. Der EZB-Rat beschloss, den Leitzins im
Euroraum um weitere 0,5 Punkte auf 3,5 Prozent zu erhöhen. Es war die
sechste Zinserhöhung in Folge. «Wir sind entschlossen, die Inflation
zu bekämpfen. Das sollte nicht angezweifelt werden», sagte
EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt. «Es
gibt keinen Zielkonflikt zwischen Preisstabilität und finanzieller
Stabilität.»

Der Kollaps mehrerer kleinerer US-Banken und Sorgen um die Schweizer
Großbank Credit Suisse hatten Erinnerungen an die weltweite
Finanzkrise infolge der Pleite der Lehman-Bank vor rund 15 Jahren
geweckt. «Der Bankensektor ist viel, viel stärker als 2008», betonte

Lagarde. Der Sektor sei widerstandsfähig, Kapital- und
Liquiditätspositionen seien solide. Die EZB verfüge zudem über alle
geldpolitischen Instrumente, um das Finanzsystem des Euroraums wenn
erforderlich mit Liquiditätshilfen zu unterstützen.

Für die Zukunft legte sich die Notenbank nicht fest. Weitere
Entscheidungen würden auf der Grundlage von Daten getroffen, betonte
Lagarde. Henriette Peucker, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin
des Bankenverbandes mahnte, die EZB sollte ihren Kurs fortsetzen.
«Auch nach der heutigen Leitzinserhöhung kann für die Inflation im
Euroraum noch keine Entwarnung gegeben werden.»

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht in der Zinserhöhung eine

Investition in die Glaubwürdigkeit der EZB. «Mit ihrer beherzten
Zinsentscheidung hat sie unterstrichen, dass sie sich nicht so
schnell vom Ziel der Preisstabilität abbringen lassen will.»

Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei
einer Teuerungsrate von zwei Prozent an. Diese Zielmarke ist seit
Monaten weit entfernt. Zwar hat sich die Inflation im gemeinsamen in
den vergangenen Monaten tendenziell abgeschwächt, zuletzt aber nur
langsam. Im Februar lag die Inflationsrate im gemeinsamen
Währungsraum bei 8,5 Prozent nach 8,6 Prozent im Januar. Angeheizt
wurde die Teuerung zunächst vor allem von gestiegenen Energie- und
Lebensmittelpreisen. Inzwischen erfasst der Preisanstieg immer
weitere Bereiche des Lebens.

«Hohe Zinsen drohen zwar die Wirtschaftsleistung zu schwächen, eine
dauerhaft hohe Inflation könnte aber noch größeren wirtschaftlichen
Schaden anrichten. Deshalb ist der Kurs der EZB richtig», sagte der
Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Helmut
Schleweis.

Die Notenbank geht nach der Anfang März erstellten Vorhersage in
diesem Jahr von einer etwas geringeren Inflation und einem stärkeren
Wirtschaftswachstum in der Eurozone aus als vor drei Monaten. Sie
rechnet 2023 im Schnitt mit einer Inflationsrate von 5,3 Prozent im
gemeinsamen Währungsraum der inzwischen 20 Mitglieder (Dezember: 6,3
Prozent). Die Wirtschaft soll um 1,0 Prozent wachsen und damit
stärker als die im Dezember noch vorhergesagten 0,5 Prozent.

Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen
und Verbrauchern, sie können sich für einen Euro weniger leisten.
Steigende Zinsen können hohen Teuerungsraten entgegenwirken, weil
sich Kredite verteuern und das die Nachfrage bremst. Stark steigende
Zinsen können allerdings Banken unter Druck setzen, wie sich jüngst
am Kollaps der Silicon Valley Bank in den USA zeigte.

Experten halten eine weltweite Finanzkrise wie nach dem Zusammenbruch
der Lehman-Bank aber bislang für unwahrscheinlich. Nach Einschätzung
des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Industrie- und
Handelskammertages (DIHK) Martin Wansleben, zeigt die jüngste
Zinserhöhung, «dass die EZB die Risiken für die Finanzstabilität f
ür
überschaubar hält».

Der sogenannte Einlagensatz, den Kreditinstitute erhalten, wenn sie
Geld bei der EZB parken, steigt nach der Entscheidung des EZB-Rates
vom Donnerstag auf 3,00 Prozent. Seit der Kursänderung der EZB im
Juli profitieren Sparer von steigenden Zinsen für Tages- und
Festgeld. Allerdings mindert die hohe Inflation die Erträge.