EU- und Nato-Spitzen auf hoher See - Energiesicherheit im Fokus

17.03.2023 14:37

Die Nord-Stream-Explosionen haben gezeigt, wie wichtig der Schutz
kritischer Energieinfrastruktur vor Sabotageakten ist. Von der Leyen
und Stoltenberg machen sich auf hoher See selbst ein Bild - auf einem
besonderen Bauwerk.

Bergen (dpa) - EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg haben auf der größten Bohrinsel

der Erde den Stellenwert norwegischer Gaslieferungen für Europas
Sicherheit betont. Begleitet von Norwegens Regierungschef Jonas Gahr
Støre und in Sichtweite einer internationalen Nato-Flotte auf See
besuchten die Spitzen von EU-Kommission und Nato am Freitag die
norwegische Gasförderplattform Troll A in der Nordsee. Unter anderem
ging es für Stoltenberg und von der Leyen per Fahrstuhl tief hinunter
in den Schaft der riesigen Anlage - über 300 Meter unter die
Wasseroberfläche.

«Gasanlagen wie die Troll-Plattform sind für unsere Wirtschaft,
unsere Industrie, aber auch für unsere Sicherheit von entscheidender
Bedeutung», sagte Stoltenberg. Russlands Präsident Wladimir Putin
habe versucht, Energie im Krieg gegen die Ukraine als Waffe
einzusetzen. Norwegisches Gas habe dabei geholfen, sicherzustellen,
dass er damit scheitert.

Auch von der Leyen verwies auf die Bedeutung der norwegischen
Lieferungen für die EU. Die Troll-Plattform symbolisiere, dass
Norwegen seine Gasproduktion erhöht habe. «Das hat uns geholfen,
Putins Erpressung zu widerstehen.» Norwegen habe seine Produktion von
78 auf 90 Milliarden Kubikmeter erhöht.

«Putin hat die von ihm entfachte Energieschlacht eindeutig verloren,
und seine Erpressung hat nicht funktioniert», sagte von der Leyen der
Deutschen Presse-Agentur und anderen Medien. Im Gegenteil habe er
damit erreicht, dass die EU nun viel stärker von Verbündeten wie
Norwegen und den USA mit Energie versorgt werde.

Zudem habe Europa massiv in erneuerbare Energien investiert und
den Energieverbrauch um 20 Prozent reduziert, sagte von der Leyen. Im
vergangenen Jahr sei in Europa erstmals mehr Wind- und Solarstrom
produziert worden als aus Gas. «Wenn Präsident Putin also geplant
hat, uns in die Knie zu zwingen, hat er genau das Gegenteil erreicht.
Wir sind heute stärker und unabhängiger, als wir es je waren.»

Beide, von der Leyen und Stoltenberg, betonten, dass so wichtige
Infrastrukturen wie die Troll-Plattform besonders vor Sabotageakten
geschützt werden müssten. Nach den Explosionen an den
Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 vor gut einem halben Jahr hatten
die EU und die Nato ihre Bemühungen dazu verstärkt.

So tagte am Donnerstag erstmals eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus EU-
und Nato-Experten. Sie soll Bedrohungen für die Infrastruktur
ermitteln und Schwachstellen ausmachen. Dabei geht es um die Energie,
aber auch um Verkehr, Digitales und Weltraum. Zudem habe die Nato
ihre Präsenz etwa in der Ost- und Nordsee ausgebaut, sagte
Stoltenberg. Niemand könne zu jedem Zeitpunkt überall sein, um
Infrastruktur zu sichern. Abschreckung sei der Schlüssel.

Eine größere Gas-Plattform hätten sich von der Leyen und Stoltenberg

für ihre Reise nicht aussuchen können: Troll A liegt im nördlichen
Teil der Nordsee und gilt als das größte von Menschen geschaffene
Bauwerk, das jemals bewegt wurde. Mit einer Höhe von 472 Metern - 369
Meter davon bilden allein den massiven Betonsockel - ist die
Plattform größer als zum Beispiel das Empire State Building oder der
Eiffelturm. Sie befindet sich auf dem Troll-Gasfeld, dem Eckpfeiler
der norwegischen Erdgasproduktion.

Es beinhaltet rund 40 Prozent der gesamten Gasreserven des
norwegischen Festlandsockels. Täglich werden dort knapp 130 Millionen
Kubikmeter Erdgas gefördert - das entspricht nach Equinor-Angaben
schätzungsweise 30 Prozent des norwegischen Gasexports nach Europa.
Im vergangenen Jahr deckte das Feld über 11 Prozent des Gasverbrauchs
innerhalb der EU ab. Gleichzeitig ist Troll auch eines der größten
Ölfelder auf dem norwegischen Kontinentalsockel. Das Öl wird auf den
Schwesterplattformen Troll B und C gefördert.