Serbien und Kosovo verhandeln über geregelte Beziehungen

18.03.2023 16:36

Seit mehr als zwei Jahrzehnten behandelt Belgrad seine unabhängig
gewordene Ex-Provinz wie Luft. Nun reden die Spitzenpolitiker
Serbiens und Kosovos über eine Normalisierung im gegenseitigen
Umgang. Können sie sich unter EU-Vermittlung einig werden?

Ohrid (dpa) - Unter Vermittlung der Europäischen Union haben
Spitzengespräche zwischen Serbien und dem Kosovo im nordmazedonischen
Seebad Ohrid begonnen. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic und der
kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti ringen um ein neues
Abkommen, das die Beziehungen zwischen den beiden verfeindeten
Balkanstaaten grundlegend regeln soll. «Die Augen der EU und des
Westbalkans ruhen heute auf Ohrid», twitterte der im Dialog
vermittelnde EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Samstag.

Das Treffen war am Samstagnachmittag noch im Gang. Borrell und der
Balkan-Sondergesandte der EU, Miroslav Lajcak, führten laut
Delegationskreisen Einzelgespräche mit Vucic und Kurti. Das heute
fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo spaltete sich 1999
mit Nato-Hilfe von Serbien ab und erklärte sich 2008 für unabhängig.

Serbien erkennt dies bis heute nicht an.

Das geplante Abkommen sieht vor, dass Belgrad das Kosovo zwar nicht
völkerrechtlich anerkennt, aber die Eigenstaatlichkeit seiner
ehemaligen Provinz zur Kenntnis nimmt. Insbesondere soll es die
Reisepässe, Kfz-Kennzeichen und Zollpapiere des Kosovos anerkennen.
Das Kosovo soll die Rechte der serbischen Volksgruppe im Land
institutionell absichern.

Bei einem ersten Treffen am 27. Februar hatten beide Seiten dem
Entwurf eines Grundsatzabkommens verbal zugestimmt, das die EU auf
der Basis eines deutsch-französischen Vorschlags vorgelegt hatte und
das die Unterstützung der USA genießt. Am Samstag ging es um konkrete
Fristen, um die Punkte des Abkommens umzusetzen. Borrell wollte eine
Einigung bis zum nächsten EU-Gipfel kommende Woche in Brüssel.

Der US-Sondergesandte für Südosteuropa, Gabriel Escobar, gab sich
bescheidener. «Ich denke, ein Abkommen noch in diesem Kalenderjahr
ist ganz und gar möglich», sagte er am Donnerstag. In Ohrid
konzentriere man sich auf die Endfassung des Abkommens und nicht auf
Unterschriften der beiden Seiten, erklärte er am Samstag bei Radio
Free Europe. Für den Nationalisten Vucic stellt jede Aufweichung der
harten Haltung gegenüber Pristina ein politisches Risiko dar. Vor dem
Treffen hatte er erklärt: «Ich habe nichts unterschrieben und werde
auch nichts unterschreiben.» Rechtsradikale in Serbien drohten mit
«heißen» Protesten, sollte Vucic in Ohrid «kapitulieren».

Kurti ist wiederum dem Druck der kosovo-albanischen Bevölkerung und
Wählerschaft ausgesetzt, die Zugeständnisse an die serbische
Volksgruppe ablehnt. Die EU und USA erwarten von ihm, dass er ein
früheres Abkommen aus dem Jahr 2013 umsetzt, das die Schaffung eines
serbischen Gemeindeverbands vorsieht. Dieser soll die Interessen und
Rechte der Serben im Kosovo schützen.

Im Kosovo befürchtet man, dass eine derartige Organisation den Staat
blockieren könnte, wenn sie zu viele Vetorechte erhielte. Außerdem
erinnert man sich im Kosovo an die Unterdrückung durch die serbischen
Sicherheitskräfte, als das Gebiet noch zu Serbien gehört hatte. Ein
bewaffneter Aufstand der Kosovo-Albaner hatte 1998/99 noch massivere
Menschenrechtsverletzungen durch Serbien zur Folge. Die Nato
reagierte darauf im Frühjahr 1999 mit Bombardierungen im damaligen
Rest-Jugoslawien (Serbien und Montenegro).

Serbien musste sich anschließend vollständig aus seiner damaligen
Provinz zurückziehen. Von 1999 bis 2008 verwaltete die
UN-Administration Unmik das Gebiet. 2008 erklärte sich das Land für
unabhängig. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, haben das
unabhängige Kosovo anerkannt - fünf EU-Mitgliedsländer, darunter
Spanien und Griechenland, nicht.

Das Verhältnis des jüngsten europäischen Staates zu Serbien blieb
ungelöst. Diplomatische Bemühungen des Westens führten in den
vergangenen Jahren zu keiner wesentlichen Normalisierung der Lage. Im
Vorjahr waren die Spannungen erneut eskaliert: Es gab
Straßenblockaden und Zwischenfälle, bei denen geschossen wurde.

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine
gewann die Beilegung des Kosovo-Konflikts für den Westen wieder an
Bedeutung. Moskau nutzt Schwachstellen in der politischen Ordnung
verschiedener Balkanstaaten für Einflussnahme aus. Belgrad ist
abhängig von Russland, weil die östliche Großmacht mit ihrem Veto im

UN-Sicherheitsrat die Aufnahme des Kosovos in die Weltorganisation
verhindert. Serbien trägt als einziges Land der Region die
EU-Sanktionen gegen Russland nicht mit.