EU-Kommission will mit Mindeststandards gegen Greenwashing vorgehen

22.03.2023 17:12

Wo «klimafreundlich» drauf steht, soll wirklich «klimafreundlich»
drin sein: Die EU-Kommission will neue Mindeststandards für grüne
Werbung. Gelten soll das für sämtliche Produkte und Dienstleistungen.
Auch Unternehmen könnten davon profitieren.

Brüssel (dpa) - Wer ein als umweltfreundlich beworbenes Produkt
kauft, soll nach dem Willen der EU-Kommission künftig sicher sein
können, dass es das auch wirklich ist. Die Brüsseler Behörde will mit

neuen Regeln zu grünen Werbeversprechen Verbraucherinnen und
Verbrauchern zuverlässige Informationen zur Nachhaltigkeit bieten.
Wie aus einem am Mittwoch vorgelegten Gesetzesvorschlag hervorgeht,
sollen Unternehmen bei Angaben etwa zur Klimafreundlichkeit oder
Nachhaltigkeit ihrer Waren Mindeststandards einhalten müssen.

Damit geht die Kommission gegen sogenanntes Greenwashing vor - dabei
vermarkten Firmen Produkte oder Dienstleistungen als umwelt- oder
klimafreundlich, obwohl sie es vielleicht gar nicht sind. Bevor die
neuen Regeln in Kraft treten können, müssen noch das Europäische
Parlament und die EU-Staaten darüber verhandeln.

«Grüne Behauptungen sind überall», sagte Kommissionsvize Frans
Timmermans. «Meeresfreundliche T-Shirts, kohlenstoffneutrale Bananen,
bienenfreundliche Säfte, 100 Prozent CO2-kompensierte Lieferungen und
so weiter. Leider werden diese Behauptungen viel zu oft ohne jeden
Beweis und ohne jede Rechtfertigung aufgestellt.»

Werde der Vorschlag umgesetzt, bekämen Verbraucher Gewissheit, «dass
etwas, das als grün verkauft wird, auch wirklich grün ist», erklärt
e
Timmermans. Dabei geht es nicht um Pflichtangaben, sondern um
freiwillige Aussagen von Unternehmen. Einer Studie der EU-Behörde von
2020 zufolge waren mehr als die Hälfte der Angaben über die
Klimafreundlichkeit von Waren vage, irreführend oder unbegründet.

Die Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten steige in der EU
deutlich an, sagte Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius. Die
Europäer seien also bereit, grüner zu kaufen - um sicherzugehen, dass
ein gekauftes Produkt weniger oder gar keine schädlichen Auswirkungen
auf die Umwelt habe. Dem Vorschlag zufolge sollen entsprechende
Angaben künftig unabhängig geprüft und wissenschaftlich belegt
werden. Im Rahmen der wissenschaftlichen Analyse sollen die
Unternehmen weiterhin die Umweltauswirkungen ermitteln, die für das
Produkt tatsächlich relevant sind.

Auch die Umweltlabel an sich möchte die Kommission angehen. Derzeit
gebe es mindestens 230 verschiedene Kennzeichnungen - das führe zu
Verwirrung und Misstrauen bei den Verbrauchern, hieß es. Neue
öffentliche Kennzeichnungssysteme sollen daher nicht mehr zugelassen
werden - es sei denn, sie entstehen auf EU-Ebene. Alle neuen privaten
Labels müssten höhere Umweltziele als bisher vorweisen. Generell
müssten sie verlässlich und transparent sein sowie regelmäßig
unabhängig geprüft werden, forderte die Behörde.

Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der christdemokratischen
EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, sagte, es sei sehr wichtig,
«dass man, wenn man behauptet, dass ein Produkt oder eine
Dienstleistung umweltfreundlich ist, das auch belegen kann».
Verbraucher müssten wirklich umwelt- und klimafreundliche Produkte
leicht erkennen können und sicher sein, dass diese Behauptungen auch
wahr sind. Die Harmonisierung der grünen Label werde zudem denjenigen
Unternehmen zugutekommen, die auf dem richtigen Weg seien.

Auch aus Sicht der Kommission können diejenigen Firmen profitieren,
die sich wirklich um die ökologische Nachhaltigkeit ihrer Produkte
bemühen: Anstatt unfairem Wettbewerb ausgesetzt zu sein, würden sie
mit den neuen Regeln leichter von den Verbrauchern erkannt.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke begrüßte den Vorschlag der
Kommission. «Die heute vorgestellte Initiative ist ein weiterer
Baustein, um Klarheit bei den vielen Labeln zu schaffen», sagte die
Grünen-Politikerin laut Mitteilung. Wichtig sei, dass Aussagen
verlässlich sind und dass wissenschaftliche Methoden die Grundlage
bilden.

Für die Umweltschutzorganisation WWF greift der Kommissionsvorschlag
allerdings noch zu kurz. «Wesentliche Aspekte wie Biodiversität und
Bodengesundheit bleiben in den derzeit vorgeschlagenen Methoden außen
vor», kritisierte Maja-Catrin Riecher, Referentin für nachhaltige
Agrarrohstoffe. Zudem gebe es noch einen zu großen Spielraum für
Verbrauchertäuschung durch Klimaneutralitäts-Labels. Perspektivisch
sei anstelle einer Regulierung rein umweltbezogener Werbung ein
umfassenderes Nachhaltigkeits-Label nötig, das zum Beispiel auch
soziale und gesundheitliche Aspekte umfasse.