Reparieren statt wegwerfen: EU-Kommission will Verbraucher stärken Von Marek Majewsky, dpa

22.03.2023 16:30

Rund 35 Millionen Tonnen Abfall entstehen laut EU-Kommission jedes
Jahr durch vorzeitig weggeworfene Geräte. Brüssel will dieses Problem
nun angehen - und Verbrauchern ein Recht auf Reparatur einräumen.

Brüssel (dpa) - Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa sollen
einem Vorschlag der EU-Kommission zufolge ein sogenanntes Recht auf
Reparatur bekommen. Ziel ist es, die Bürger so finanziell zu
entlasten und die Umwelt zu schonen.

Um welche Produkte geht es?

Sehr viele. Als Beispiele nennt die EU-Kommission etwa Wasch- und
Spülmaschinen, Fernseher, Tablets, Smartphones und Trockner.
Allgemein heißt es: «Der Vorschlag gilt für Verbrauchsgüter.» Gem
eint
sind damit «bewegliche körperliche Gegenstände». Zudem sollen alle

Mängel an solchen Gütern abgedeckt sein - unabhängig davon, ob sie
noch der gesetzlichen Gewährleistung unterliegen oder nicht. Also
sollen auch selbst verschuldete Schäden repariert werden können.

Was ist das Ziel der geplanten Regeln?

Verbraucherinnen und Verbraucher sollen gestärkt, die Umwelt soll
geschont werden. Der Vorschlag mache es einfacher und
kostengünstiger, Waren zu reparieren, statt sie zu ersetzen. So
sollen Käufer etwa für fünf bis zehn Jahre - also auch nach Ablauf
der gesetzlichen Garantie - bei Herstellern eine Reparatur einfordern
können für Produkte, die nach EU-Recht technisch reparierbar sind.

Entsorgte Waren können laut der EU-Kommission häufig noch repariert
werden, werden aber oft vorzeitig weggeworfen. Dies habe jährlich 35
Millionen Tonnen Abfall, 30 Millionen Tonnen verschwendeter
Ressourcen und 261 Millionen Tonnen an Treibhausgas-Emissionen in der
EU zur Folge. Geschätzt sollen über 15 Jahre 18,5 Millionen Tonnen
Treibhausgas-Emissionen, 1,8 Millionen Tonnen Ressourcen sowie Abfall
im Umfang von 3 Millionen Tonnen eingespart werden.

Ab wann gelten die Vorschriften?

Das steht noch nicht fest. Erst müssen sich das Europaparlament und
die EU-Staaten auf eine konkrete Ausgestaltung der Regeln einigen.
Dieser Prozess dauert in der Regel mehrere Monate - eine Frist, bis
wann die Verhandlungen abgeschlossen sein müssen, gibt es nicht. Es
kann auch noch zu Änderungen kommen. Die Vorsitzende des
Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini (Grüne),
betonte, sie werde sich dafür einsetzen, dass Verbraucherinnen und
Verbraucher nicht auf den Kosten von Reparaturen sitzen bleiben.

Auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber begrüßte den Vorschlag
der Kommission. Er machte aber deutlich, dass es aus seiner Sicht
nicht darum gehen dürfe, Verbraucher von Neukäufen abzuhalten.

Wo sind den Reparaturen Grenzen gesetzt?

Wenn etwa ein Handy so sehr zerstört ist, dass eine Reparatur
wirtschaftlich keinen Sinn ergibt, muss es nicht repariert werden.
Wörtlich heißt es vonseiten der Kommission: «Im Rahmen der
gesetzlichen Garantie werden Verkäufer Reparaturen anbieten müssen,
es sei denn, diese sind teurer als der Ersatz.» In der Regel gilt
eine gesetzliche Garantie zwei Jahre.

CSU-Politiker Ferber betonte: «Wenn man das neueste ultradünne
Endgerät haben will, muss man bei der Reparierbarkeit durch den
Endverbraucher zwangsläufig Abstriche machen.» Sein SPD-Kollege René

Repasi machte deutlich: «Entscheidend ist, dass Unternehmen keine
abschreckenden Mondpreise verlangen, damit das Recht auf Reparatur
sozial verträglich ist.»

Wo kann ich Geräte reparieren lassen?

Zum einen sind die Hersteller in der Pflicht - sie können aber auch
Dienstleister mit der Reparatur beauftragen. Zudem sollen unabhängige
Werkstätten tätig werden dürfen. Cavazzini kündigte an, sich dafü
r
einsetzen zu wollen, dass Ersatzteile und Anleitungen leicht
zugänglich sind, «damit Unternehmensriesen wie Apple nicht länger die

Regeln für eine Reparatur diktieren». Darüber hinaus sind nationale
Online-Plattformen vorgesehen, auf denen sich die Bürger über
Reparaturdienste und Verkäufer überholter Waren informieren können.

Welche Auswirkungen gibt es konkret für Deutschland?

Sollten die Regeln wie vorgesehen in Kraft treten, müssten diese auch
von Deutschland umgesetzt werden. Darüber hinaus hatte die für
Verbraucherschutz zuständige Bundesministerin Steffi Lemke (Grüne)
vor einem Jahr ein ähnliches Vorhaben angekündigt. «Wir werden
wichtige Schritte raus aus der Wegwerfgesellschaft gehen, zum
Beispiel durch ein Recht auf Reparatur.» Gestützt werden solle dies
etwa durch ein Förderprogramm «Reparieren statt Wegwerfen».

Verbraucherschützer sehen in den Plänen der Kommission auch eine
Chance für mehr Bewegung bei dem Thema in Deutschland. Denn konkrete
Vorhaben zu den von Lemke angekündigten Plänen lägen bislang nicht
vor, so der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv).

Wie reagiert die deutsche Wirtschaft?

«Viele Unternehmen stellt das vorgeschlagene «Recht auf Reparatur»
vor große Herausforderungen», sagte der Präsident der Deutschen
Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian. Wenn etwa Ersatzteile
länger gelagert und Reparaturen innerhalb von 15 Tagen durchgeführt
werden müssten, bedeute dies zusätzliche logistische und finanzielle
Belastungen. «Sehr viele Unternehmen sind derzeit betrieblich nicht
in der Lage, den Anspruch auf Reparatur in der Praxis umzusetzen.»

Der Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom, Bernhard
Rohleder, erklärte, ein verbrieftes Recht auf Reparatur könne Geräte

langlebiger machen, reiche aber nicht aus. Ähnlich wie Adrian fordert
der Bitkom mehr Anreize für Unternehmen: «Eine Mehrwertsteuersenkung
auf Ersatzteile und Reparaturdienstleistungen für IT-Hardware wie
Smartphones und Laptops wäre ein solcher Anreiz.»