Streit um Verbrenner-Verbot droht EU-Gipfel zu überschatten

23.03.2023 05:00

Eigentlich sollte der Konflikt über das Verbot neuer Autos mit
Verbrennungsmotor bis zum EU-Gipfel gelöst sein. Am Vormittag beginnt
nun das Spitzentreffen mit Kanzler Scholz und seinen Kollegen.
Gelingt die Einigung noch in letzter Minute?

Brüssel (dpa) - Der erste reguläre EU-Gipfel des Jahres droht vom
Streit über die deutsche Blockade des geplanten Verbots von Neuwagen
mit Verbrennungsmotor überschattet zu werden. Bis zum Mittwochabend
sah es nicht danach aus, dass der Konflikt um die Klimaschutzregeln
wie ursprünglich geplant bis zum Beginn des Treffens der Staats- und
Regierungschefs am Donnerstag (11.30 Uhr) beigelegt werden kann.
Deshalb dürfte der Streit zumindest am Rande des Gipfels eine Rolle
spielen. Für Kanzler Olaf Scholz (SPD) könnte es ungemütlich werden.


Etliche EU-Partner äußerten bereits in den vergangenen Tagen hinter
den Kulissen Unverständnis und Verärgerung darüber, dass die
Bundesregierung Anfang März den endgültigen Beschluss verhindert
hatte. Eigentlich hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und
der EU-Staaten im Oktober darauf geeinigt, dass ab 2035 nur noch
emissionsfreie Neuwagen in der EU zugelassen werden dürfen.

Die Bundesregierung stellte Anfang März jedoch Nachforderungen. Vor
allem die FDP dringt darauf, dass auch nach 2035 noch Neuwagen mit
Verbrenner zugelassen werden dürfen, die klimaneutrale E-Fuels
tanken. Darunter versteht man mit Ökostrom erzeugte künstliche
Kraftstoffe. Das Bundesverkehrsministerium und die EU-Kommission
arbeiten an einer Lösung, konnten sich aber noch nicht einigen.

Europa-Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne) hatte noch am Dienstag
gesagt, sie gehe davon aus, dass die Gespräche bis zum Gipfel
abgeschlossen würden. Verkehrsminister Volker Wissing dämpfte dagegen
Hoffnungen auf eine rasche Einigung. «Wir reden über eine Regulierung
für das Jahr 2035. Ich verstehe nicht, warum man sich jetzt nicht
noch einmal Zeit nehmen dürfen soll, um die Dinge genau anzuschauen»,
sagte der FDP-Politiker der «Augsburger Allgemeinen» (Donnerstag).

Offiziell stehen am ersten der beiden Gipfeltage ganz andere Themen
auf der Tagesordnung des Treffens von Kanzler Scholz und seinen
Kolleginnen und Kollegen: die Unterstützung für die Ukraine, ein
Austausch mit UN-Generalsekretär António Guterres sowie Beratungen
über die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft.

DER UKRAINE-KRIEG - UNTERSTÜTZUNG SO LANGE WIE NÖTIG

Seit mehr als einem Jahr ist Russlands Krieg gegen die Ukraine bei
jedem EU-Gipfel eines der Topthemen. Dies wird auch bei diesem
Spitzentreffen nicht anders sein. Die Staats- und Regierungschefs
wollen darüber beraten, wie die militärische und wirtschaftliche
Unterstützung der Ukraine weiter ausgebaut werden kann.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll zu den Beratungen
per Videokonferenz zugeschaltet werden. In einem Entwurf für die
Abschlusserklärung des Treffens heißt es: «Die Europäische Union
steht fest und uneingeschränkt an der Seite der Ukraine und wird der
Ukraine und ihrer Bevölkerung weiterhin starke politische,
wirtschaftliche, militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe
leisten - solange dies nötig ist.»

EUROPAS WIRTSCHAFT IM GLOBALEN WETTBEWERB

Geopolitische Spannungen, hohe Energiepreise, unterbrochene
Lieferketten und Fachkräftemangel haben Unternehmen in Deutschland
und Europa in den vergangenen Jahren zugesetzt. Hinzu kommt Druck
etwa aus China oder den USA, die zuletzt große Subventionsprogramme
für ihre Wirtschaft auf den Weg gebracht haben. Die EU-Kommission von
Ursula von der Leyen konterte vergangene Woche mit zwei Vorschlägen:

Zum einen sollen Genehmigungsverfahren für strategisch wichtige
Industriezweige wie erneuerbare Energien beschleunigt werden. Zum
anderen will die Behörde der Industrie für besonders wichtige
Rohstoffe Produktionsziele vorgeben. Dabei geht es vor allem um
solche Rohstoffe, die Europa für den grünen Wandel braucht - etwa für

den Bau von Elektroautos und Windräder. Bislang ist die EU bei vielen
wichtigen Rohstoffen abhängig von anderen Ländern wie China.

Die Bundesregierung hofft zudem, dass vom EU-Gipfel ein positives
Signal für den schnellen Abschluss neuer Freihandelsabkommen ausgeht.
Vor allem das Projekt mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur
ist allerdings weiter stark umstritten. Kritiker in Ländern wie
Frankreich und Österreich befürchten, dass europäische Landwirte in
einen gnadenlosen Preiskampf gezwungen werden könnten und
gleichzeitig die Regenwald- und Umweltzerstörung in den
Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay
befeuert werden könnte.