Baerbock sichert Georgien Unterstützung bei EU-Annäherung zu Von Jörg Blank, dpa

24.03.2023 14:04

Die kleine Südkaukasusrepublik Georgien ist noch immer unter dem
Druck Moskaus. Außenministerin Baerbock bemüht sich, das Land weiter
in Europa zu integrieren. Aber sie hat auch eine Mahnung parat.

Tiflis (dpa) - Außenministerin Annalena Baerbock hat Georgien auch
angesichts russischer Einflussversuche deutsche Unterstützung im
EU-Beitrittsprozess zugesagt und zu weiteren Reformen aufgefordert.
«Die Tür zum EU-Kandidatenstatus ist weit geöffnet. Jetzt gilt es,
die verbleibenden zwölf Schritte zu gehen», sagte die
Grünen-Politikerin am Freitag nach einem Gespräch mit ihrem Kollegen
Ilia Dartschiaschwili in der Hauptstadt Tiflis. Besonders hob sie die
Zustimmung Georgiens zu den UN-Resolutionen zur Verurteilung des
russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hervor.

Für den Beitrittsprozess seien unter anderem Rechtsstaatlichkeit,
demokratische Standards sowie Medienfreiheit essenziell, sagte
Baerbock. Nach der Rücknahme des schwer umstrittenen, geplanten
«Agenten»-Gesetzes habe die Regierung in Tiflis nun die Aufgabe, «die

Polarisierung zu überwinden, Vertrauen wieder zu finden und die
anstehenden Reformschritte mit aller Entschiedenheit zu gehen».
Gerade bei den europäischen Werten könne es aber keine Abkürzungen
geben.

Dartschiaschwili sagte laut offizieller Übersetzung, es sei
«unerschütterlicher Wille des georgischen Volkes», in die EU
einzutreten. Der Kandidatenstatus sei dabei «ein Knotenpunkt». Die
Regierung arbeite intensiv an der Erfüllung der zwölf von der
EU-Kommission dafür festgelegten Kriterien, sicherte er zu.

Georgien muss für EU-Annäherung zwölf Prioritäten erfüllen

Die EU hatte der früheren Sowjetrepublik Georgien im Juni 2022 den
Status eines Beitrittskandidaten in Aussicht gestellt, sobald
bestimmte Reformen erfüllt sind. Unter den von der EU genannten zwölf
Prioritäten sind der Kampf gegen Polarisierung, eine Justizreform,
die Einrichtung einer unabhängigen Anti-Korruptionsbehörde,
Medienfreiheit und eine «Deoligarchisierung». Im Oktober will die
EU-Kommission einen Zwischenbericht vorlegen, der als erste Grundlage
für weitere Entscheidungen dienen soll.

Proteste gegen «Agenten»-Gesetz

Vor gut zwei Wochen war in dem Land nach Massenprotesten ein
Gesetzentwurf zurückgezogen worden, der eine Einstufung unabhängiger
Medien und Organisationen als «ausländische Agenten» möglich gemach
t
hätte. Anfang März gingen in Tiflis mehrere tausend Menschen gegen
die Pläne auf die Straße. Bürgerrechtler befürchteten, das geplante

Gesetz unterhöhle die Demokratie und verschlechtere die Perspektiven
für einen EU-Beitritt. Mit einem ähnlich lautenden Gesetz wird in
Russland die Opposition gegängelt. Baerbock lobte die Rücknahme des
Vorhabens. Dieser Schritt werde «als Stärkung auf dem Weg in die
Europäische Union wahrgenommen».

Ex-Sowjetrepublik Georgien weiter unter Druck Moskaus

Die Führung der seit 2012 regierenden Partei Georgischer Traum
verfolgt einen eher russlandfreundlichen Kurs. Die Partei wurde vom
reichsten Oligarchen im Land gegründet. Georgien mit seinen etwa 3,7
Millionen Einwohnern steht auch viele Jahre nach dem Zusammenbruch
der Sowjetunion noch unter dem Druck seines großen Nachbarn Russland.
Moskau führte 2008 Krieg gegen das kleine Land am Schwarzen Meer. Bis
heute unterstützt Russland die abgespaltenen georgischen Gebiete
Südossetien und Abchasien und hat dort Truppen stationiert.

Besuch an Verwaltungsgrenze zu abtrünnigem Gebiet Südossetien

Baerbock informierte sich auch über die EU-Beobachtermission EUMM
(European Union Monitoring Mission) an der Verwaltungsgrenze zum
abtrünnigen Gebiet Südossetien. Die Mission hat laut Auswärtigem Amt

gut 250 Angehörige, davon 28 aus Deutschland. Aufgabe ist es, nach
dem Ende der Kämpfe zwischen Russland und Georgien im August 2008 die
Einhaltung der Waffenstillstandsvereinbarung zu überwachen.

Nach Angaben des Deutschen Sebastian Hulde (43), der seit einem
knappen Jahr für die UN-Mission arbeitet, gibt es an der etwa 380
Kilometer langen Verwaltungsgrenze zu Südossetien insgesamt 19
russische Grenzschutzposten. Besetzt sind die Posten nach seinen
Angaben mit bis zu 30 russischen Grenzschützern.