Bundesregierung setzt auf zügige Lösung im Verbrenner-Streit

24.03.2023 16:20

Seit Wochen gibt es Gezerre um ein Ende neuer Autos mit Diesel und
Benzin in der EU. Denn Berlin besteht darauf, die Verbrennertechnik
für klimaneutrale Kraftstoffe zu bewahren. Kommt nun der Durchbruch?

Berlin/Brüssel (dpa) - Im Streit um die Zukunft von Neuwagen mit
Verbrennungsmotoren sieht die Bundesregierung eine Lösung in
greifbarer Nähe. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Freitag nach dem
EU-Gipfel in Brüssel über eine Einigung mit der EU-Kommission: «Das
wird schon passieren, und zwar ziemlich zügig.» Verkehrsminister
Volker Wissing (FDP) sagte, eine Antwort der Kommission auf jüngste
deutsche Vorschläge stimme ihn optimistisch. Geklärt werden müssten
jetzt noch «letzte juristische Fragen» für eine sichere Perspektive
für künftige Verbrenner mit klimaneutralen künstlichen Kraftstoffen.


Wissing sagte der Deutschen Presse-Agentur, man habe sich eng mit der
Kommission beraten und ihr einen konstruktiven Vorschlag übermittelt.
«Wir gehen davon aus, dass damit nicht nur alle inhaltlichen, sondern
auch die rechtlichen Fragen hinreichend beantwortet sind.» Einer
Genehmigung neuzugelassener Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, die
ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden, sollte
damit auch nach 2035 nichts mehr im Wege stehen. Man erwarte nun,
dass die Kommission eine entsprechende Erklärung abgebe, zeitliche
Zielmarken nenne und den Prozess für entsprechende Rechtsakte angehe.

Das Ministerium hatte am Donnerstagabend eine Antwort zu Vorschlägen
der EU-Kommission nach Brüssel geschickt, am Freitag ging dann eine
Reaktion der Behörde dazu ein. Das Ministerium wollte diese prüfen.
Hintergrund sind Bemühungen, eine Blockade beim Verbot herkömmlicher
Verbrenner in der EU aufzulösen.

Nach einer Grundsatzeinigung von Europaparlament und EU-Staaten
sollen ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden
dürfen. Deutschland dringt aber darauf, auch danach Neuwagen mit
Verbrenner zuzulassen, die E-Fuels tanken - also klimaneutrale
künstliche Kraftstoffe, die mit Ökostrom erzeugt werden. Von einem
Masseneinsatz sind E-Fuels noch weit entfernt.

Im jüngsten Schreiben nach Brüssel schlug das Verkehrsministerium
verschiedene Elemente für eine Lösung vor, wie ein Sprecher sagte.
Dazu zähle ein «Bekenntnis zur Technologieneutralität durch die
Kommission» und eine Verankerung dieses Prinzips in der Regulierung
zu Flottengrenzwerten. Zudem solle sofort eine Fahrzeugkategorie für
ausschließlich mit E-Fuels betriebene Autos geschaffen werden, um sie
unverzüglich im europäischen Recht zu verankern. Geschaffen werden
solle auch eine «sofortige Zulassungsmöglichkeit dieser Fahrzeuge».

Wissing betonte in Mainz: «Wir stellen die Ziele, ab 2035 nur noch
klimaneutrale Fahrzeuge zuzulassen, nicht in Frage. Das haben wir
auch nie getan.» Es gehe aber darum, dass der Verbrennungsmotor als
technologische Option geschützt bleibe. Deutschland sei führend in
dieser Technologie. Sie jetzt zu verbieten, habe keinen Sinn. Denn
mehrere Angebote schafften immer mehr Wettbewerb und so auch bessere
Preise für die Bürgerinnen und Bürger. Darauf komme es ihm an.

Die EU-Kommission äußerte sich am Freitag vorerst nicht zum aktuellen
Stand. Präsidentin Ursula von der Leyen sagte am Donnerstagabend, das
Vorhaben sei eine wichtige Säule, um die EU-Klimaziele zu erreichen.
«Deshalb intensivieren wir die Gespräche, und ich bin zuversichtlich,
dass wir bald eine gute Lösung finden werden.» Wirtschaftsminister
Robert Habeck (Grüne) sagte am Freitag, es sei sein Verständnis, dass
es eine Einigung gebe. Dies wären gute Nachrichten. Der Streit habe
zu lange gedauert. Er hoffe, er liege richtig in der Interpretation.

Wissing erläuterte, es müsse etwa durch Sensortechnik sichergestellt
werden, dass nicht auch andere Kraftstoffe genutzt werden könnten.
Kritiker monieren, dass zur Herstellung von E-Fuels verhältnismäßig
viel Energie gebraucht werde und die Kraftstoffe knapp seien. Sie
würden in der Luft- und Schifffahrt dringender gebraucht. Die Frage,
ob es für einen Masseneinsatz genügend E-Fuels gebe, stelle sich
nicht, machte Wissing deutlich. Selbst wenn man sie mit Nein
beantworte, spreche das nicht für ein Verbot des Verbrennungsmotors.
«Denn etwas, das wenig genutzt werden wird oder vielleicht gar nicht
genutzt werden kann, muss man auch nicht verbieten.»

Bei der Verbrenner-Grundsatzeinigung im Herbst hatte Deutschland
einen Zusatz in das Abkommen verhandelt, wonach die EU-Kommission
einen Vorschlag vorlegen soll, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen
werden können, die nur mit E-Fuels fahren. In der EU-Kommission las
man den entsprechenden Absatz stets so, dass davon Sonderfahrzeuge
wie Kranken- oder Feuerwehrwagen betroffen sein sollen. Nach Berliner
Lesart soll die E-Fuel-Ausnahme dagegen für alle Fahrzeuge gelten.
Eine für Anfang März vorgesehene Bestätigung der Einigung durch die
EU-Staaten wurde daher von Deutschland zunächst verhindert.