Günther wirbt bei EU um Hilfe für Industrieansiedlungen

25.03.2023 08:00

Der Kieler Regierungschef auf EU-Mission: Daniel Günther will sich
auf höchster europäischer Ebene für Industrieansiedlungen stark
machen. Der Konkurrenzstandort USA lockt mit hohen Subventionen und
niedrigen Strompreisen.

Kiel (dpa/lno) - Ministerpräsident Daniel Günther sucht bei der
EU-Spitze Unterstützung für die Ansiedlung von Unternehmen in Europa
inklusive Schleswig-Holsteins, die von den USA mit hohen Subventionen
und niedrigen Strompreisen angelockt werden. «Wir wollen bis 2040
erstes klimaneutrales Industrieland werden, und dazu bedarf es neben
Maßnahmen auf Landes- und Bundes- auch auf europäischer Ebene einiger
Weichenstellungen», sagte der CDU-Politiker der Deutschen
Presse-Agentur vor einer Sitzung seines schwarz-grünen
Landeskabinetts in Brüssel. Am Montag wird Günther dort
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen treffen und am
Dienstag EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Die Europäische
Union müsse eine schnelle und starke Antwort auf den Inflation
Reduction Act (IRA) geben, mit dem US-Präsident Joe Biden
ausländischen Unternehmen hohe Subventionen und weitere
Vergünstigungen bietet. Im transatlantischen Verhältnis müsse es zwar

das Ziel sein, erst gar keine Subventionswettläufe entstehen zu
lassen, sagte Günther. Insofern sei es gut, dass die EU mit den USA
über Erleichterungen im Rahmen des IRA für europäische Unternehmen
verhandele.

Gleichzeitig sei aber zu begrüßen, dass Kommissionspräsidentin von
der Leyen mit dem Green Deal Industrial Plan (GDIP) bereits mögliche
Maßnahmen vorgelegt habe. «Denn wir in Schleswig-Holstein werden
nicht allein gegenhalten können», sagte Günther. Als Beispiel nannte

er Ansiedlungspläne des schwedischen Konzerns Northvolt und anderer
Unternehmen. Northvolt hat Heide in Dithmarschen als europäischen
Standort einer Batteriezellenfabrik für E-Autos erwählt.

Doch mittlerweile locken die USA mit weit niedrigeren Strompreisen
und höheren Subventionen. Damit könnte sich der Bau der Fabrik in
Dithmarschen verzögern. Eine Entscheidung wird in absehbarer Zeit
erwartet. Sollte Northvolt in Heide bauen, sind 3000 Arbeitsplätze
und bis zu 4,5 Milliarden Euro an Investitionen absehbar. «Bei den
Ansiedlungen dürfen wir in Europa nicht ins Hintertreffen geraten -
das zeigt das Beispiel Northvolt gerade konkret», sagte Günther. «Vom

Bund werden wir durch den Wirtschaftsminister bereits großartig
unterstützt, aber das Ganze hat eine europäische Komponente.» Deshalb

führe die Landesregierung in Brüssel mehrere Gespräche, um auch auf
EU-Ebene nachdrücklich um Unterstützung zu bitten, sagte Günther.

«Nach derzeitigem Stand kann Northvolt laut eigener Aussage in den
USA um ein Drittel günstiger produzieren als in Europa.» Da wolle er
in Brüssel ausloten, welche Antworten Europa geben kann, sagte
Günther. Hier geht es um Subventionen und darum, einen möglichst
günstigen Industriestrompreis anzubieten zu können. Letzteres sei
aber auch ein Thema, dem sich der Bund mehr annehmen müsse. Günther
verwies auf eine Bundesratsinitiative aus Schleswig-Holstein, deren
Ziel es ist, den deutschen Strommarkt so auszurichten, dass
erneuerbare Energien in Deutschland zu einem echten
Wettbewerbsvorteil werden. Der Antrag benennt unterschiedliche
Reformvorhaben auf dem Weg hin zu einer klimaneutralen
Industrienation. Als einen weiteren Schwerpunkt für die Gespräche in
Brüssel nannte Günther den Schutz von Minderheiten. «Wir haben in
Schleswig-Holstein die Minority Safe Pack-Initiative immer
unterstützt, und aus unserer Sicht ist der Schutz von Minderheiten
auch eine europäische Aufgabe und kann nicht nur nationalstaatlich
geregelt werden», sagte Günther. «Es geht uns dabei nicht um uns. In

Schleswig-Holstein ist der Minderheitenschutz bereits vorbildlich.»
Aber es gebe Minderheiten in Europa, die nicht diese rechtlich
positive Stellung haben wie in Schleswig-Holstein. «Hier sollte es
auch auf europäischer Ebene Regelungsmöglichkeiten geben.» Ein
dritter Schwerpunkt der Brüssel-Reise liege auf der Fischerei. «Der
EU-Vorschlag, die grundberührende Fischerei zu verbieten, bringt
unsere Fischer in Existenznöte», sagte Günther. «Wir haben uns in
Schleswig-Holstein gemeinsam mit den anderen Küstenländern gegen ein
solches Verbot ausgesprochen, genauso wie Dänemark und die
Niederlande.» Es müsse auf EU-Ebene eine andere Lösung mit weniger
strengen Regelungen geben. «Dafür werden Landwirtschaftsminister
Werner Schwarz und ich uns in den Gesprächen mit den Präsidentinnen
der Kommission und des Parlaments einsetzen», sagte Günther.