) Bundesregierung und EU-Kommission einigen sich im Verbrenner-Streit Von Katharina Redanz, Marek Majewsky und Michael Fischer, dpa

25.03.2023 16:32

Mit der Last-Minute-Blockade eines fertig verhandelten Gesetzes hat
die Bundesregierung in der EU für Irritationen gesorgt. Jetzt gibt es
eine Einigung im Streit um Autos mit Verbrennungsmotor. Was bedeutet
sie für Autoindustrie, Klima, Verbraucher und die Ampel-Koalition?

Brüssel/Berlin (dpa) - Nach wochenlangem Ringen um die Zukunft von
Autos mit Verbrennungsmotor hat sich die Bundesregierung mit der
EU-Kommission auf einen Kompromiss verständigt. Danach können auch
nach 2035 Neuwagen mit einem solchen Antrieb in der EU zugelassen
werden, wenn sie mit klimaneutralem Kraftstoff betankt werden. «Damit
eröffnen wir für die Bevölkerung wichtige Optionen in Richtung einer

klimaneutralen und bezahlbaren Mobilität», sagte Verkehrsminister
Volker Wissing am Samstag in Berlin. Die Autoindustrie begrüßte die
Einigung, Klimaschützer sprachen dagegen von einem «faulen
Kompromiss».

Europaparlament und EU-Staaten hatten sich eigentlich schon im
Oktober darauf geeinigt, dass in der EU ab 2035 nur noch
emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Deutschland bestand
allerdings darauf, dass grundsätzlich alle Autos mit
Verbrennungsmotoren einbezogen werden, die mit sogenannten E-Fuels
betrieben werden. Das sind Kraftstoffe, die mit Ökostrom aus Wasser
und Kohlendioxid erzeugt werden. Eine für Anfang März vorgesehene
Bestätigung der Einigung durch die EU-Staaten wurde von Deutschland
zunächst verhindert. Seitdem verhandelten EU-Kommission und
Bundesregierung über einen Kompromiss.

Nach der jetzt gefundenen Lösung sollen grundsätzlich alle mit
E-Fuels betriebenen Autos zugelassen werden können. Für die Umsetzung
wurden laut Wissing konkrete Verfahrensschritte und ein Zeitplan
verbindlich fixiert. «Wir wollen, dass der Prozess bis Herbst 2024
abgeschlossen ist», sagte er.

Die endgültige Abstimmung aller 27 EU-Staaten soll nun kommenden
Dienstag stattfinden. Neben Deutschland standen dem Vorhaben
ursprünglich auch andere Länder wie Italien, Österreich und Polen
kritisch gegenüber. Mit der deutschen Zustimmung gilt es aber als
sehr wahrscheinlich, dass die notwendige Mehrheit erreicht wird.

Ob mit E-Fuels betriebene Autos in der Praxis tatsächlich eine Chance
haben, gilt aber noch als völlig offen. Autoexperte Ferdinand
Dudenhöffer nennt als Argument gegen solche Antriebe die hohen Kosten
für die Herstellung der Kraftstoffe und die «gruselige Energiebilanz»

- bei der Herstellung wird extrem viel Strom verbraucht.

Zu den negativen Auswirkungen der Regelungen zählt Dudenhöffer, dass
sie zur Verunsicherung der Industrie bei der Umstellung auf
Elektromotoren führen könne. «Chinesen und US-Amerikaner werden durch

die neuen Investitionsverunsicherungen den Abstand zur europäischen
Industrie beim Elektroauto vergrößern», sagt er.

Die Präsidentin des deutschen Verbands der Automobilindustrie,
Hildegard Müller, reagierte dennoch positiv auf den Kompromiss. Zwar
bleibe E-Mobilität die zentrale Technologie, um die Klimaziele im
Verkehr zu erreichen. E-Fuels seien jedoch eine wichtige Erweiterung.

Von Greenpeace hingegen kam scharfe Kritik. «Dieser faule Kompromiss
untergräbt Klimaschutz im Verkehr, und er schadet Europa», sagte der
Mobilitätsexperte der Umweltorganisation, Benjamin Stephan, in
Berlin. Die «dringend nötige Ausrichtung der Autobranche auf
effiziente Elektromobilität» werde mit der Einigung verwässert.
Stephan warf Bundeskanzler Olaf Scholz vor, die «rücksichtslose
Erpressung der EU» durch die FDP nicht gestoppt zu haben.

Das ungewöhnliche Blockade-Manöver Deutschlands in der EU geht vor
allem auf die FDP-Minister Wissing und Christian Lindner (Finanzen)
zurück. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ließ die beiden allerdings um
des Koalitionsfriedens willen gewähren.

Die Grünen reagierten am Samstag erleichtert, dass nun endlich ein
Kompromiss gefunden wurde. «Es ist gut, dass diese Hängepartie ein
Ende hat», sagte Umweltministerin Steffi Lemke. «Alles andere hätte
sowohl das Vertrauen in die europäischen Verfahren wie auch in die
europapolitische Verlässlichkeit Deutschlands schwer beschädigt.»

Es wird allerdings befürchtet, dass sich künftig auch andere
EU-Mitglieder ein Beispiel an Deutschland nehmen und bei Streitfragen
bereits gefundene Lösungen wieder aufschnüren könnten. Insofern ist
noch nicht absehbar, welchen langfristigen Schaden der Streit in der
Europäischen Union angerichtet hat.