Verkehrschaos der Ampel-Regierung: Nächster Streit um E-Fuels droht

27.03.2023 16:48

Die finale Abstimmung der EU-Staaten zur Verbrenner-Zukunft steht
noch aus, da kommt schon der nächste Konflikt in diesem Bereich in
Sicht. In der Ampel ist man sich uneins über einen Vorstoß des
Finanzministers.

Berlin (dpa) - Kaum scheint der Verbrenner-Streit gelöst zu sein,
bahnt sich in der Ampel-Koalition der nächste Verkehrskonflikt an.
Die Grünen sehen einen Vorstoß von Finanzminister Christian Lindner

(FDP) kritisch. Dieser hatte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag
gesagt, er wolle die Steuern für mit sogenannten E-Fuels betriebenen
Autos vergünstigen.

Die öffentliche Antwort der Grünen kam einen Tag später über di
e
«Augsburger Allgemeine»: «Anstatt über eventuelle Subventionen fü
r
Nischenprodukte in zehn Jahren nachzudenken, sollte der
Finanzminister jetzt endlich in die Puschen kommen und das anpacken,
was bereits auf dem Tisch liegt», sagte die stellvertretende
Grünen-Fraktionsvorsitzende Julia Verlinden.

Die Regierungsparteien hätten in den vergangenen anderthalb Jahren
gemeinsam zahlreiche Projekte verabredet. Diese seien zum Teil vom
Finanzministerium bislang noch nicht einmal begonnen worden oder
würden blockiert, kritisierte Verlinden. Dazu gehöre eine Reform der
Entfernungspauschale nach ökologischen und sozialen Gesichtspunkten
sowie der Abbau von umweltschädlichen Subventionen, sagte Verlinden.
Als Beispiel nannte sie einen Umbau des Dienstwagenprivilegs.

Hintergrund des sich anbahnenden Konflikts ist die Einigung zwischen
Bundesregierung und EU-Kommission, wonach auch nach 2035 noch Autos
mit Verbrennungsmotor zugelassen werden sollen, wenn sie nur mit
klimaneutralen E-Fuels betankt werden.

E-Fuels können mit Strom aus erneuerbaren Energien aus Wasser und
Kohlendioxid hergestellt werden, das aus der Luft gewonnen wird. Sie
setzen damit anders als Benzin oder Diesel keine zusätzlichen
klimaschädlichen Gase frei. Kritiker bemängeln, dass sie in der
Schiff- und Luftfahrt dringender gebraucht und zudem sehr
energieintensiv hergestellt werden.

Die EU-Staaten wollen an diesem Dienstag final über das geplante
Verbot von nicht-klimaneutralen Neufahrzeugen ab 2035 abstimmen. Die
ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel billigten am
Montag einen entsprechenden Vorschlag der derzeitigen schwedischen
EU-Ratspräsidentschaft, wie ein Sprecher mitteilte. Zuvor hatten sich
die EU-Kommission und die Bundesregierung auf eine Zusatzerklärung
verständigt, die eine Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotoren
ermöglichen soll, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden.

Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums sagte am Montag in Berlin
mit Blick auf die Sitzung des Ausschusses der Ständigen Vertreter,
dass «aus unserer Sicht nichts mehr dagegen spricht, hier für die
Flottengrenzwertregulierung und damit für das Fit-for-55-Programm
grünes Licht zu geben.» Dies sei «ein sehr gutes Signal».

Anders sieht das der CSU-Europapolitiker Markus Ferber: «Außer einem

Vertrauensverlust auf dem Brüsseler Parkett, einem öffentlich
ausgetragenen Ampel-Streit zum Thema E-Fuels und die Aussicht auf
eine Lösung zum Erhalt des Verbrenners ist bislang herzlich wenig
erreicht worden.» Er bezweifelt zudem, dass der im Kompromiss
gefundene Weg so einfach in die Tat umgesetzt werden kann.

Demnach sollen per E-Fuels betriebene Neuwagen nach 2035 durch einen
sogenannten delegierten Rechtsakt der EU-Kommission ermöglicht
werden. Gegen diesen können aber das EU-Parlament und EU-Staaten zwei
Monate lang Einwände erheben.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bemängelte am Montag: «Es werden kei
ne
E-Fuels für den Pkw-Verkehr verfügbar sein, schon gar nicht
tatsächlich klimaneutral.» Wenn E-Fuels nach 2035 nicht oder nur sehr
kleinen Mengen zu sehr hohen Preisen erhältlich seien, würden
E-Fuel-Fahrzeuge weiter fossilen Sprit tanken, mutmaßte
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. «Sollte die CO2-Verordnung

mit diesem scheunentorgroßen Schlupfloch verabschiedet werden, werden
wir ein gerichtliches Vorgehen prüfen.»

Das Kfz-Gewerbe begrüßte am Montag hingegen die zwischen
Bundesregierung und EU-Kommission gefundene Lösung. Sie öffne den
Weg, um die industrielle Herstellung großer Mengen sogenannter
E-Fuels in Gang zu bringen, sagte der Hauptgeschäftsführer des
Zentralverbandes Deutscher Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Kurt-Christian
Scheel, laut Mitteilung.

Scheel zufolge könnte die Lösung auch die Wirtschaftskraft in Ländern

außerhalb Europas stärken, die über erneuerbare Energien im Überflu
ss
verfügen. «Denn E-Fuels sind verflüssigter Grünstrom, der sich
transportieren und lagern lässt.» Jetzt komme es vor allem darauf an,
dass die EU die Lösung schnell und rechtssicher umsetze.