EU-Zollreform könnte viele Online-Einkäufe in Drittstaaten verteuern

17.05.2023 16:56

Die EU-Kommission will die weitgehende Zollfreiheit auf günstige
Waren kippen. Wer in Zukunft im Internet bei Händlern aus
Nicht-EU-Staaten bestellt, muss wohl deshalb mit etwas höheren
Preisen rechnen.

Brüssel (dpa) - Wegen Plänen der EU-Kommission dürften
Online-Einkäufe bei Anbietern außerhalb der Europäischen Union in
Zukunft teurer werden. Ein Vorschlag der Kommission sieht vor, dass
zahlreiche Waren unter 150 Euro zollpflichtig werden. Das kündigte
EU-Kommissar Paolo Gentiloni am Mittwoch in Brüssel an. «Für die
Verbraucher kann es zu einem sehr geringen Preisanstieg bei Waren von
geringem Wert kommen», teilte eine Sprecherin mit. Bislang muss kein
Zoll gezahlt werden, wenn der Warenwert unter 150 Euro liegt -
Ausnahmen gibt es laut Kommission nur wenige - etwa für Tabak oder
Parfüm.

Einkäufe im Urlaub, die im persönlichen Gepäck in die EU eingeführt

werden, blieben aber durch die Reform ausgenommen, teilte eine
Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit. Die Regeln
am Flughafen würden von den Mitgliedstaaten selbst festgelegt.

Eine hohe Preissteigerung beim Kunden von Waren mit einem Wert unter
150 Euro sei nicht das Ziel, erklärte Gentiloni. Die Zölle wären fü
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diese Pakete sehr gering. «Sie machen die überwältigende Mehrheit
dessen aus, was heute durch unseren Zoll geht.» Shopping-Plattformen
seien durchaus in der Lage, diese Zollgebühr in ihre Dienstleistung
einzubeziehen, führte er aus. Durch den Wegfall der Zollbefreiung für
diese Waren könnten der EU etwa eine Milliarde Euro im Jahr mehr zur
Verfügung stehen, sagte er. Noch sind die Reformpläne nur ein
Vorschlag der Kommission, als nächstes müssen die Staaten der
Europäischen Union und das Parlament diesem noch zustimmen.

Mit der Reform sollen nun vor allem Online-Shoppingportale dafür
verantwortlich gemacht werden, dass die Zölle und die Mehrwertsteuer
beim Kauf gezahlt werden. Somit würden die Verbraucherinnen und
Verbraucher nicht mehr mit versteckten Gebühren oder unerwartetem
Papierkram konfrontiert werden, wenn das Paket ankommt, hieß es in
einer Mitteilung. «Die Reform wird den Verbrauchern in der EU auch
die Gewissheit geben, dass die Waren, die sie kaufen, ordnungsgemäß
kontrolliert werden, für sie und ihre Familien sicher sind und den
EU-Nachhaltigkeitsstandards entsprechen», sagte eine Sprecherin.

Online-Handel habe in den vergangenen Jahren zu einer exponentiellen
Anzahl von Lieferungen kleiner Warenpakete mit geringem Wert in die
EU geführt. Gleichzeitig sei der elektronische Handel durch die
derzeitige Zollbefreiung für Waren im Wert von weniger als 150 Euro
äußerst betrugsanfällig geworden, hieß es in einer Mitteilung zur
Begründung des Wegfalls.

Schätzungen zufolge werden 65 Prozent der Pakete, die in die EU
geschickt werden, in ihrer Zollanmeldung absichtlich unterbewertet,
um von dieser Befreiung zu profitieren. Darüber hinaus ermutigt die
derzeitige Befreiung die Verkäufer, größere Sendungen in kleinere
Pakete aufzuteilen, wenn sie in die EU versandt werden, was wiederum
zu mehr Verpackungsmüll und einem höheren CO2-Ausstoß führe.

Auch das Zollsystem in der EU will die Kommission umkrempeln. Kern
soll die Errichtung einer EU-weiten Zollbehörde bis 2028 sein. Diese
soll die 27 eigenständigen Systeme der Mitgliedsstaaten schrittweise
durch ein zentralisiertes ersetzen und den Staaten bis zu zwei
Milliarden Euro pro Jahr an Betriebskosten ersparen. Ziel ist es
unter anderem, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. «Wir bauen keine
Zoll-Frontex», betonte Gentiloni am Mittwoch.

Der europäische Verbraucherverband Beuc begrüßte die Pläne der
Kommission. Die Bündelung der Behörden sei ein Schritt zum Schutz der
Verbraucher auf den globalen Märkten, hieß es in einer Mitteilung.
Die niederländische Staatssekretärin für Zoll, Aukje de Vries, sagte:

«Für Bürger ist es wichtig, dass die Außengrenze der Union sicherer

wird.» Durch die Niederlande kämen etwa ein Drittel aller Importe in
die EU, führte sie aus.

Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Markus
Herbrand, kritisierte den Wegfall der 150-Euro-Grenze: Es drohe ein
massiver Mehraufwand sowohl für den Zoll als auch die
Marktteilnehmer, sagte er.