Ukraine sieht sich vom Europarat gestärkt - Die Nacht im Überblick
18.05.2023 05:00
Der Europarat stellt sich demonstrativ an die Seite der Ukraine. Und
auch das verlängerte Getreideabkommen ist eine gute Nachricht für
Kiew. Dagegen musste die Luftabwehr einen russischen Raketentreffer
hinnehmen. Die Entwicklungen der Nacht im Überblick.
Kiew (dpa) - Im Bemühen um russische Reparationszahlungen für die
verheerenden Kriegsschäden in der Ukraine sieht sich Kiew vom
Europarat gestärkt. «Es ist wichtig, dass Europa im Interesse eines
ehrlichen Friedensplans so geeint ist», sagte der ukrainische
Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch in seiner allabendlichen
Videoansprache. Zuvor hatten die 46 Staaten des Europarats zum
Abschluss eines Gipfeltreffens in Island mehrere Beschlüsse mit
Signalwirkung gefasst: Sie verabschiedeten ein Register für
Kriegszerstörungen in der Ukraine, forderten die Rückkehr aller nach
Russland deportierten Kinder und die Einrichtung eines
Sondertribunals. Am Donnerstagmorgen gab es dann erneut landesweiten
Luftalarm, aus der Hauptstadt Kiew wurden Explosionen von
Luftabwehrraketen gemeldet.
Selenskyj dankt Europa für Unterstützung
«Der Europarat hat eine wichtige Entscheidung getroffen: Die
endgültige Entschließung des Gipfels in Island unterstützt die
ukrainische Friedensformel», sagte Selenskyj. Er danke allen Staats-
und Regierungschefs Europas und allen Mitgliedstaaten des Europarats
für ihre Haltung.
Die Schäden des seit fast 15 Monaten andauernden Angriffskriegs
sollen vom Europarat dokumentiert werden, um Russland dafür zur
Rechenschaft ziehen zu können. 40 der 46 Staaten der - von der
Europäischen Union unabhängigen - Organisation erklärten sich in
Islands Hauptstadt Reykjavik dazu bereit, dem Schadensregister
beizutreten oder dies in der Zukunft zu tun. Die Türkei, Ungarn,
Aserbaidschan und Serbien wollen sich vorerst nicht beteiligen. Das
Register gilt als erster Schritt auf dem Weg zu möglichen
Entschädigungszahlungen an die Ukraine.
Selenskyjs Friedensformel beinhaltet unter anderem die Forderung nach
einem vollständigen Abzug aller russischen Truppen von der
Schwarzmeer-Halbinsel Krim und aus den anderen besetzten Gebieten der
Ukraine. Daneben sieht sie Reparationsforderungen an Russland sowie
Pläne für ein internationales Tribunal vor, dass für den Krieg
verantwortlichen Politikern und Militärs den Prozess macht.
UN-Generalsekretär zu Getreideabkommen: «Gute Nachricht für die Welt
»
UN-Generalsekretär António Guterres hat die Verlängerung des
Getreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine als «gute
Nachricht für die Welt» bezeichnet. Zwar seien einige Fragen noch
offen, Vertreter der Ukraine, Russlands, der Türkei und der Vereinten
Nationen bemühten sich aber um Lösungen, sagte Guterres in New York.
Das Abkommen sei wichtig für die globale Ernährungssicherheit - und
weil es zeige, dass «es sogar in der dunkelsten Stunde immer einen
Hoffnungsschimmer gibt und eine Möglichkeit, Lösungen zu finden, die
allen helfen».
Zuvor hatte die türkische Regierung mitgeteilt, dass sich Russland
und die Ukraine auf eine zweimonatige Verlängerung des
Getreideabkommens geeinigt hätten. Vertreter beider Länder
bestätigten das Fortbestehen des von den UN vermittelten
Getreidekorridors bis zum 18. Juli. Er erlaubt kontrollierte
Getreideausfuhren aus den Schwarzmeerhäfen Odessa, Tschornomorsk und
Piwdennyj (Juschny).
Chinesischer Sondergesandter zu Gesprächen in Ukraine
Chinas Sondergesandter Li Hui hat in der Ukraine Gespräche für eine
Friedenslösung im Krieg mit Russland geführt. Außenminister Dmytro
Kuleba habe ihn detailliert über «Prinzipien der Wiederherstellung
eines beständigen und gerechten Friedens» informiert, teilte die
ukrainische Regierung am Mittwoch mit. Kuleba habe betont, dass die
Ukraine «keine Vorschläge akzeptiert, die einen Verlust ihres
Territoriums oder ein Einfrieren des Konflikts vorsehen».
Es war das erste Mal seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022, dass
China einen hochrangigen Diplomaten in das von Russland angegriffene
Land schickte. Li wird nun in Moskau erwartet, wo im März schon
Staatspräsident Xi Jinping von Kremlchef Wladimir Putin empfangen
worden war. China wird große Nähe zum Aggressor Russland vorgeworfen
und stieß in der Vergangenheit auch mit einem Vorstoß zur Befriedung
des Konflikts auf breite Kritik, weil die darin ausgedrückte Haltung
Pekings als einseitig russlandfreundlich gewertet wurde.
Drei Tote bei russischem Beschuss von Cherson - Fünf Tote in Donezk
Bei einem russischen Artillerieangriff auf die Region Cherson im
Süden der Ukraine wurden am Mittwoch mindestens drei Menschen
getötet. Unter den Opfern sei ein fünfjähriger Junge, berichteten
ukrainische Medien unter Berufung auf örtliche Behörden. Bei dem
Angriff auf das Dorf Seleniwka habe es auch zwei Schwerverletzte
gegeben.
Im Osten der Ukraine sollen fünf Menschen im russisch kontrollierten
Donbass infolge des Beschusses durch ukrainische Streitkräfte getötet
worden sein. Außerdem habe es bei den Angriffen in der Region Donezk
23 Verletzte gegeben, berichtete die russische Staatsagentur Tass
unter Berufung auf örtliche Behörden. Unabhängig lassen sich die
Angaben zu den Ereignissen im Kriegsgebiet nicht überprüfen.
Moskau: Patriot-Batterie bei Kiew zerstört - USA: Nur beschädigt
Die US-Regierung bestreitet die russische Darstellung zur angeblichen
Zerstörung eines Patriot-Flugabwehrsystems laut US-Medienberichten.
Die Batterie zur Verteidigung der Hauptstadt Kiew sei nur leicht
beschädigt worden und weiterhin einsetzbar, hieß es in den Berichten
unter Verweis auf anonyme Militärquellen.
Das russische Militär bekräftigte hingegen seine Behauptung, ein
beinahe komplettes Patriot-System zerstört zu haben. Wie das
Verteidigungsministerium in Moskau am Mittwoch unter Berufung auf
«zuverlässig bestätigte Daten» bekräftigte, seien bei dem Angriff
am
16. Mai mit einer Hyperschallrakete vom Typ «Kinschal» (Dolch) neben
dem Radar-Leitsystem der Batterie auch fünf Abschussrampen zerstört
worden. Auch diese Angaben konnten zunächst nicht unabhängig
überprüft werden.
Am Donnerstagmorgen informierten die Behörden in Kiew einmal mehr
über abgefangene Raketen. Drei Stadtteile auf dem Ostufer des Dnipro
seien betroffen gewesen. Ein unbewohntes Gebäude sei durch
abstürzende Trümmer in Brand geraten. Über mögliche Opfer wurde
vorerst nichts bekannt.
Was bringt der Tag
An den Fronten im Osten der Ukraine sind erneut schwere Kämpfe zu
erwarten.