Gemeinsame Notenbank, gemeinsame Ziele? 25 Jahre EZB Von Jörn Bender, dpa

31.05.2023 06:30

Finanzkrise, Schuldenkrise, Corona-Krise: Die Europäische Zentralbank
hat in den vergangenen Jahren ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. 25
Jahre nach ihrer Gründung ringt die Notenbank nun um ihr zentrales
Ziel: einen stabilen Euro.

Frankfurt/Main (dpa) - Vor neun Jahren lobte Christine Lagarde
Zentralbanker als «Helden der Krise». Heute ist die damalige
IWF-Chefin als Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) selbst
Krisenmanagerin. Die Notenbanker bewegen Milliarden und manchmal mit
wenigen Worten Märkte. Im 25. Jahr ihres Bestehens ringt die EZB
angesichts hartnäckig hoher Inflation um ihr ureigenstes Ziel: einen
stabilen Euro für Millionen Menschen in inzwischen 20 Staaten.

Am Anfang stand ein typischer europäischer Kompromiss: Den Chefposten
der neuen gemeinsamen Zentralbank mit Sitz in Frankfurt bekam im
Sommer 1998 kein Vertreter aus Deutschland oder Frankreich, den
beiden größten Volkswirtschaften des Euroraums, sondern der
Niederländer Wim Duisenberg.

Abgesehen vom Gerangel um das Spitzenpersonal setzten die Europäer
eines der bedeutendsten Projekte ihrer Wirtschaftsgeschichte fast
etwas zu nüchtern um: «Am 25. Mai 1998 ernannten die Regierungen der
elf teilnehmenden Mitgliedstaaten den Präsidenten, den
Vizepräsidenten und die vier weiteren Mitglieder des Direktoriums der
EZB. Deren Ernennung erfolgte mit Wirkung zum 1. Juni 1998 und
begründete die Errichtung der EZB.»

Schon EZB-Gründungspräsident Duisenberg ließ keinen Zweifel, worum es

der neuen Behörde vor allem gehen muss: um das Vertrauen der Bürger,
dass die Gemeinschaftswährung ebenso stabil ist wie zuvor D-Mark,
Franc, Gulden und Co. «Der Euro ist ihre Währung, und sie sollten
sich darauf verlassen können, dass er seinen Wert behält», schrieb
Duisenberg den unabhängigen Zentralbankern ins Stammbuch.

Ein schwieriges Unterfangen, wie die jüngere Vergangenheit zeigt: Im
Oktober 2022 schnellte die Teuerungsrate im Euroraum auf den
Rekordwert von 10,6 Prozent - meilenweit entfernt vom mittelfristigen
Zwei-Prozent-Ziel der EZB. Mit einer Serie von Zinserhöhungen steuert
die EZB gegen. Doch die vor allem von steigenden Energie- und
Lebensmittelpreisen infolge des Ukraine-Krieges angeheizte Teuerung
zeigt sich hartnäckig - und die Euro-Währungshüter mussten sich
wiederholt kritisch fragen lassen, ob sie nach der Finanzkrise
2007/2008 nicht zu lange an ihrem Billiggeldkurs inklusive
milliardenschwerer Staatsanleihenkäufe festgehalten haben.

Intern zu schaffen macht der Notenbank zudem ein Konstruktionsfehler
der Währungsunion: Die Europäer führten eine gemeinsame Währung ein
,
ohne eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik zu haben. Die
Heterogenität der Länder und damit auch der Interessen sei ein
riesiges Problem für die gemeinsame Geldpolitik, sagte der ehemalige
EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing im November 2021 im Gespräch mit der
Deutschen Presse-Agentur. Zwar sollten die nationalen
Notenbankpräsidenten im EZB-Rat keine nationalen Interessen
vertreten. «Aber wenn der Kauf von Staatsanleihen eine so dominante
Rolle in der Politik der EZB spielt, dann ist es eben sehr schwierig,
nationale Belange zurückzustellen», ordnete Issing ein.

Vor allem aus Deutschland kam oft Kritik am Kurs der EZB. «Wenn die
EZB so weitermacht, kauft sie bald auch alte Fahrräder auf und gibt
dafür neues Papiergeld heraus», ätzte beispielsweise im Sommer 2011
der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler. Immer wieder landeten
Entscheidungen der EZB vor dem Bundesverfassungsgericht - während die
Notenbank längst Fakten geschaffen hatte.

Wohl am eindrucksvollsten demonstrierte Lagardes Vorgänger Mario
Draghi, wie groß der Einfluss der Notenbank ist. «Die EZB wird alles
tun, um den Euro zu retten», versprach der Italiener am 26. Juli
2012: «Whatever it takes.» Das Machtwort des damaligen
EZB-Präsidenten stabilisierte die Eurozone in der tiefsten Krise
ihrer jungen Geschichte, als die Politik schnelle Entscheidungen
vermissen ließ - das gestanden Draghi sogar seine Kritiker zu.

Ob Finanzkrise, Staatsschuldenkrise oder Corona-Pandemie: Die
Krisenfeuerwehr EZB zeigte sich kreativ im Einsatz der Gegenmittel.
Die Währungshüter tüftelten diverse Anleihenkaufprogramme aus (OMT,
APP, PEPP), versorgten Banken mit Billigkrediten (TLTRO), senkten den
Leitzins auf das Rekordtief von null Prozent und sorgten mit
Negativzinsen auf Einlagen dafür, dass Banken über Strafzinsen
klagten und Sparer sich enteignet fühlten.

Nun also der Kampf gegen die Inflation und die Sorgen vieler
Menschen, ob das Geld für notwendige Ausgaben reicht. «Die Menschen
können sich auf die EZB verlassen, die Inflation wird wieder sinken»,
versicherte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel bereits im
Herbst. «Wir werden unsere Aufgabe erfüllen und für stabile Preise
sorgen.»