EU-Kommission will Anleger besser schützen - ohne Provisionsverbot? Von Katharina Redanz und Friederike Marx, dpa

24.05.2023 05:15

Unzureichende Informationen, geringe Renditen und dazu die Frage:
Zocken Finanzberater ihre Kunden ab? Die EU-Kommission sieht die
Gefahr, dass Kleinanleger benachteiligt werden. Das möchte die
Brüsseler Behörde ändern.

Brüssel/Frankfurt (dpa) - Die EU-Kommission möchte Kleinanleger
besser schützen. Aus ihrer Sicht fehlt es an wichtigen und leicht
verständlichen Informationen für Verbraucher bei Geldanlagen.
Kritisch sieht die Behörde auch, wenn Berater beim Verkauf von
Finanzprodukten wie beispielsweise bei der Altersvorsorge Provisionen
kassieren. Die Kleinanlegerstrategie, die die Behörde an diesem
Mittwoch präsentiert, ist allerdings umstritten.

Was ist das Ziel der Kleinanlegerstrategie?

Nach einem Entwurf für die neuen Regeln von Anfang Mai, der der
Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sollen Kleinanleger in der EU
bessere Anlageergebnisse erzielen können, als dies momentan der Fall
ist: Derzeit seien Verbraucher unter anderem einem wachsenden Risiko
ausgesetzt, etwa durch unrealistische Marketinginformationen
unangemessen beeinflusst zu werden. Einige Anlageprodukte seien zudem
mit ungerechtfertigt hohen Kosten verbunden.

Die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness möchte dabei vor
allem Regeln für die Kaufberatung von Finanzprodukten anfassen. Mehr
als in jedem anderen Bereich der Finanzdienstleistungen sei es in der
Anlageberatung wichtig, Interessenkonflikte zu vermeiden, sagte sie
in einer Rede Ende April. Lange wurde daher in Brüssel über ein
Provisionsverbot diskutiert.

Was sind Provisionen?

Anlageberatung ist nicht umsonst: «Machen Sie sich bewusst, dass eine
Anlageberatung immer etwas kostet - entweder eine eingepreiste
Provision oder ein Honorar», erläutert die Finanzaufsicht Bafin.
Kreditinstitute und Versicherer zahlen für den Vertrieb zum Beispiel
von Fondsanteilen oder Lebensversicherungen Anlageberatern eine
Provision. Die Provision wird aus der Anlagesumme oder den daraus
erwirtschafteten Erträgen finanziert, der Kunde zahlt also indirekt.

Eine Alternative ist die Honorarberatung. Hier bezahlt der Kunde für
die Beratungsleistung an sich, beispielsweise nach Zeitaufwand oder
pauschal vereinbart - allerdings auch dann, wenn der Anleger am Ende
gegen die Empfehlung des Beraters entscheidet.

Was könnte die Kommission vorschlagen?

Es wird erwartet, dass die Kommission erst einmal kein vollständiges
Provisionsverbot vorschlägt. In dem Gesetzentwurf der Brüsseler
Behörde ist lediglich ein Verbot von Provisionen bei bestimmten
Käufen ohne Beratung vorgesehen. Dem Entwurf von Anfang Mai zufolge
hätte ein vollständiges Verbot «erhebliche und plötzliche
Auswirkungen auf bestehende Vertriebssysteme mit schwer
vorhersehbaren Folgen». Drei Jahre nach Annahme der Vorschläge wolle
die Kommission aber den Erfolg überprüfen und gegebenenfalls
strengere Maßnahmen vorschlagen.

Wie sieht die Finanzbranche die Pläne?

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hatte bereits
kritisiert, das Ziel der Kommission, breite Bevölkerungsschichten an
die Finanzmärkte zu bringen und ihnen den Vermögensaufbau zu
erleichtern, werde nur teilweise erreicht. Generell hatte sich die
Finanzbranche gegen einen Wechsel ausschließlich zur Honorarberatung
ausgesprochen. Vor allem Verbraucher mit geringen und mittleren
Anlagebeträgen würden so von der Beratung abgeschnitten, da sie zu
teuer wäre, argumentiert die Deutsche Kreditwirtschaft, in der die
fünf großen Bankenverbände organisiert sind. Auch Deutschlands
oberster Versicherungsaufseher Frank Grund bekräftigte unlängst, die
Bafin sei immer skeptisch gegenüber einem Provisionsverbot gewesen.
Zumindest «komplexere Altersvorsorgeregelungen» erforderten eine
angemessene Beratung, die auch entsprechend bezahlt werden müsse.

Was fordern Verbraucherschützer?

Aus Sicht von Verbraucherschützern entsteht durch Provisionen dagegen
ein Interessenkonflikt, der zur Empfehlung teurer oder unpassender
Anlagen führen kann. «Nach allem was wir wissen, hat die Kommission
gravierende Probleme bei der Vermittlung von Anlageprodukten
identifiziert», sagte Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale
Bundesverband (vzbv). «Es ist extrem enttäuschend, dass sich die
Kommission dennoch nicht auf die Seite von Verbrauchern gestellt hat
und auf Druck der Finanzlobby offensichtlich kein allgemeines
Provisionsverbot vorgeschlagen will.» Diskutierte Maßnahmen wie eine
verschärfte Geeignetheitsprüfung und gute Qualifikation der
Vermittler oder eine sogenannte Kostenbenchmark, um die Kosten zu
senken, seien zwar sinnvoll. «Das Problem des Interessenskonflikts
aufgrund der Provisionen würde damit jedoch nicht an der Wurzel
gepackt», sagte die Leiterin des Teams Finanzmarkt beim vzbv.

Wird alles so umgesetzt, wie die Kommission sich das vorstellt?

Das ist sehr unwahrscheinlich. Die Vorschläge der Kommission müssen
nach der Vorlage sowohl vom Europäischen Parlament als auch von den
EU-Ländern beraten werden. Das Parlament muss eine gemeinsame
Position finden und auch die EU-Staaten müssen sich auf einen
Kompromiss einigen. Anschließend verhandeln dann Parlament und die
Länder. Erst wenn sich hier geeinigt wurde, können die neuen Regeln
in Kraft treten. Erfahrungsgemäß dauert das mindestens mehrere
Monate.