Deutlich mehr Transparenz: EU-Kommission will Anleger besser schützen Von Katharina Redanz und Friederike Marx, dpa

24.05.2023 17:12

Unzureichende Informationen, irreführendes Marketing und dazu die
Frage: Zocken Finanzberater ihre Kunden ab? Etwa mit strengeren
Transparenzvorschriften will die EU-Kommission Kleinanleger mehr
schützen. Ist dabei ein Provisionsverbot vom Tisch?

Brüssel/Frankfurt (dpa) - Mehr Transparenz, hohe Anforderungen an
Berater und keine irreführende Werbung: Mit neuen Vorschriften beim
Verkauf von Geldanlage-Produkten will die EU-Kommission Privatanleger
besser schützen und ihnen höhere Renditen ermöglichen. So soll es
nach Willen der Behörde neben strengeren Transparenzvorschriften etwa
auch mehr Regeln für den Verkauf von Finanzprodukten auf Provision
geben, wie aus einer am Mittwoch in Brüssel vorgestellten
Kleinanlegestrategie hervorgeht. Was sich ändern könnte und warum die
Pläne einigen nicht weit genug gehen:

Was ist das Ziel der Kleinanlegerstrategie?

Bislang bekämen europäische Verbraucher noch nicht das beste Angebot,
wenn es um ihre Investitionsentscheidungen geht, sagt Kommissionsvize
Valdis Dombrovskis. «Deshalb legen wir heute die Messlatte höher, was
die fachkundige, unvoreingenommene und unkomplizierte Beratung für
Anlageprodukte angeht, damit die Menschen die beste Rendite für ihr
Geld bekommen.»

Die Kommission möchte mit den Vorschriften Kleinanleger in die Lage
versetzen, «Anlageentscheidungen zu treffen, die ihren Bedürfnissen
und Präferenzen entsprechen». Es solle sichergestellt werden, dass
sie fair behandelt werden und angemessen geschützt sind. Kritisch
sieht die Behörde beispielsweise, wenn Berater beim Verkauf von
Finanzprodukten wie beispielsweise bei der Altersvorsorge Provisionen
kassieren - und will dies nun in bestimmten Fällen untersagen.

Was sind Provisionen?

Kreditinstitute und Versicherer zahlen für den Vertrieb zum Beispiel
von Fondsanteilen oder Lebensversicherungen Anlageberatern eine
Provision. Die Provision wird aus der Anlagesumme oder den daraus
erwirtschafteten Erträgen finanziert, der Kunde zahlt also indirekt.
Eine Alternative ist die Honorarberatung. Hier bezahlt der Kunde für
die Beratungsleistung an sich, beispielsweise nach Zeitaufwand oder
pauschal vereinbart - allerdings auch dann, wenn der Anleger am Ende
gegen die Empfehlung des Beraters entscheidet.

Was schlägt die Kommission vor?

Nach dem Willen der Kommission sollen etwa Finanzberater bei
bestimmten Käufen ohne Beratung keine Provision mehr kassieren
dürfen. Ein zuvor lange diskutiertes allgemeines Provisionsverbot
plant die Kommission allerdings zunächst nicht. Drei Jahre nach
Annahme der Vorschläge zum Schutz von Kleinanlegern will sie aber den
Erfolg überprüfen und gegebenenfalls alternative Maßnahmen
vorschlagen, «einschließlich einer weiteren Ausweitung des
Provisionsverbots», heißt es im Gesetzesvorschlag.

Darüber hinaus möchte sie etwa hohe Standards für die berufliche
Qualifikation von Finanzberatern beibehalten. Zudem sollen
Kleinanleger vor «irreführendem Marketing» geschützt werden. Das gi
lt
auch für Werbung in sozialen Medien oder mithilfe von Prominenten und
Influencern.

Wie sieht die Finanzbranche die Pläne?

Die Deutsche Kreditwirtschaft bezeichnete es als ein «wichtiges
Signal», dass zunächst kein vollständiges Provisionsverbot kommen
soll. Kritisch zu sehen sei aber das vorgesehene Provisionsverbot für
«das in Deutschland weit verbreitete beratungsfreie Geschäft», teilte

der Zusammenschluss der fünf großen Bankenverbände mit. Insgesamt
würde der Gesetzesentwurf die ursprünglichen Ziele der Kommission wie
etwa einen vereinfachten Zugang von Kleinanlegern zum Kapitalmarkt
nicht umsetzen.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
bewertet die Vorschläge zurückhaltend. Zwar sei die gute Nachricht,
dass ein generelles Provisionsverbot zunächst vom Tisch sei - ein
solches würde die Verbreitung der privaten Altersvorsorge stark
hemmen. Insgesamt aber würden die Regeln für die Produktgestaltung
und für die Vermittlung von Anlageprodukten rigider und komplexer.
«Das Ziel der EU-Kommission, als Teil der Kapitalmarktunion breite
Bevölkerungsschichten an die Finanzmärkte zu bringen und ihnen den
Vermögensaufbau zu erleichtern, wird so erschwert.»

Was fordern Verbraucherschützer?

Aus Sicht von Verbraucherschützern entsteht durch Provisionen dagegen
ein Interessenkonflikt, der zur Empfehlung teurer oder unpassender
Anlagen führen kann. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)
hält die Kommissionspläne daher für unzureichend. «Nur ein
Provisionsverbot würde das Problem an der Wurzel packen. Stattdessen
plant die EU-Kommission, dass die Gesamtkosten bei Finanzprodukten
eine staatlich definierte Grenze nicht überschreiten dürfen», sagte
Dorothea Mohn, die Leiterin des Teams Finanzmarkt beim vzbv. Sie
begrüßte die geplante Evaluierung nach drei Jahren: «Sollte sich
hierbei zeigen, dass die schädliche Wirkung von Provisionen
weiterbesteht, muss die EU dann unmittelbar ein umfassendes
Provisionsverbot auf den Weg bringen.»

Die europäische Verbraucherschutzorganisation BEUC bezeichnete das
Provisionsverbot bei beratungsfreien Verkäufen als Fortschritt,
bedauerte aber das Fehlen eines vollständigen Verbots.

Wird alles so umgesetzt, wie die Kommission sich das vorstellt?

Das ist unwahrscheinlich. Die Vorschläge der Kommission müssen noch
vom Europäischen Parlament und den EU-Ländern beraten werden. Das
Parlament muss eine gemeinsame Position finden und auch die
EU-Staaten müssen sich auf einen Kompromiss einigen. Anschließend
verhandeln dann Parlament und die Länder. Erst wenn sich hier
geeinigt wurde, können die neuen Regeln in Kraft treten.
Erfahrungsgemäß dauert das mindestens mehrere Monate.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen
EVP-Fraktion im EU-Parlament, Markus Ferber, bemängelte, dass die
Vorschläge für das neue Regelwerk es versäumten, Berichts- und
Dokumentationspflichten deutlich zu reduzieren. «Das größte Problem
für Kleinanleger ist, dass sie förmlich in Papierkram ertrinken, wenn
sie ein Finanzprodukt erwerben wollen.»