Russland für Aufteilung der Ukraine mit EU - Die Nacht im Überblick

26.05.2023 05:00

Während Russlands Truppen in der Ukraine nur mühsam und unter hohen
Verlusten vorankommen, schlägt ein Vertrauter von Kremlchef Putin
eine Aufteilung des Landes vor. Kiew fordert mehr Kriegsgefangene.
Die Ereignisse der Nacht im Überblick und ein Ausblick auf den Tag.

Kiew/Moskau (dpa) - Moskau hat eine Aufteilung der überfallenen
Ukraine zwischen Russland und der Europäischen Union ins Gespräch
gebracht. Der Vize-Chef des russischen Sicherheitsrates, Ex-Präsident
Dmitri Medwedew, skizzierte in der Nacht zum Freitag Szenarien für
den Ausgang des Krieges. Aussicht auf Frieden gäbe es demnach nur,
wenn Russland sich den Großteil des Nachbarlands einverleibt. In der
von Medwedew bevorzugten Variante würden westliche Regionen der
Ukraine mehreren EU-Staaten zugeschlagen und die östlichen Russland,
während Einwohner der zentralen Gebiete für den Beitritt zu Russland
stimmen.

Bei diesem Ausgang «endet der Konflikt mit ausreichenden Garantien,
dass er auf lange Sicht nicht wieder aufgenommen wird», schrieb
Medwedew beim Online-Dienst Telegram. Sollte hingegen ein unabhängig
gebliebener Teil der Ukraine der EU oder der Nato beitreten, sei mit
einem Wiederaufflammen der Kampfhandlungen zu rechnen, «mit der
Gefahr, dass es schnell in einen vollwertigen dritten Weltkrieg
übergehen kann», behauptete der Vertraute von Kremlchef Wladimir
Putin.

Bei einem nach seinen Worten für Moskau «temporär» annehmbaren
Szenario würde die Ukraine im Zuge des Krieges vollständig zwischen
EU-Ländern und Russland aufgeteilt, während in Europa eine
ukrainische Exil-Regierung gebildet würde. Russland führt seit mehr
als 15 Monaten einen Angriffskrieg in der Ukraine.

Selenskyj: Mehr russische Kriegsgefangene für Austausch nehmen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief seine Truppen auf,
mehr russische Soldaten gefangen zu nehmen. «Jeder an der Front
sollte daran denken: Je mehr russische Kriegsgefangene wir nehmen,
desto mehr unserer Leute werden zurückkehren», sagte Selenskyj in
seiner abendlichen Videoansprache am Donnerstag.

Er begrüßte einen Gefangenenaustausch, bei dem 106 ukrainische
Militärangehörige von der russischen Seite übergeben worden seien.
Sie hatten im Gebiet der inzwischen fast völlig zerstörten Stadt
Bachmut gekämpft, wie Selenskyj sagte. Darunter seien acht
ukrainische Offiziere. Viele der zurückgekehrten Militärs hätten
zuvor als vermisst gegolten. Selenskyj machte keine Angaben dazu, wie
viele Russen bei dem Austausch am Donnerstag übergeben wurden.

Erneut Luftalarm in Kiew

In Kiew wurde in der Nacht zum Freitag erneut Luftalarm ausgelöst.
Die ukrainische Hauptstadt war schon in den vergangenen Wochen
anderem mit Drohnen angegriffen worden. Auch in zentralen Regionen
des Landes wurden die Menschen aufgerufen, sich in Schutzunterkünfte
zu begeben. In den westlichen Gebieten blieb die Nacht zunächst
ruhig.

Russland meldet Abschuss einer Rakete im Gebiet Rostow

Im Süden Russlands wurde nach Behördenangaben eine ukrainische Rakete
abgeschossen. Die Luftabwehr habe sie in der Nähe der Stadt Morosowsk
getroffen, schrieb Gouverneur Wassili Golubew auf Telegram. In
ukrainischen Medien wurde darauf verwiesen, dass es in Morosowsk
einen russischen Militärflughafen gebe.

Lukaschenko: Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus begonnen

Derweil hat Russland nach Angaben des belarussischen Machthabers
Alexander Lukaschenko mit der Stationierung taktischer Atomwaffen in
dem Nachbarland begonnen. Auch die Zahl der Waffen und Orte der
Lagerung seien festgelegt worden, sagte Lukaschenko am Donnerstag in
Moskau nach einem Treffen mit Präsident Wladimir Putin. Details
nannte Lukaschenko nicht. Damit erhält Belarus nach der freiwilligen
Abgabe seiner Atomwaffen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nun
erstmals seit den 1990ern Jahren wieder nukleare Raketen.

Zuvor hatte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu in
Minsk bei einer Vertragsunterzeichnung betont, Moskau habe die
alleinige Kontrolle und Entscheidung über den Einsatz der Atomwaffen.
Putin hatte die Stationierung auch damit begründet, dass die USA seit
Jahren Atomwaffen in Deutschland und anderen europäischen Staaten
bereithielten.

US-Generalstabschef: F-16-Lieferungen wurden genau abgewogen

US-Präsident Joe Biden hatte beim G7-Gipfel führender demokratischer
Wirtschaftsmächte vergangene Woche in Japan den Weg dafür
freigemacht, der Ukraine im Rahmen einer Koalition von Verbündeten
F-16-Kampfjets zu liefern. Sein Generalstabschef Mark Milley
bezeichnete die Entscheidung für die Kampfjets als Ergebnis einer
«knallharten militärischen Analyse». Kosten, Nutzen und Risiken seien

dabei berücksichtigt worden, sagte Milley nach Video-Beratungen der
internationalen Kontaktgruppe zur Koordinierung von Militärhilfe für
das von Russland angegriffene Land.

Britisches Parlament stuft ukrainische Hungersnot als Völkermord ein

Nach dem Bundestag und dem EU-Parlament hat nun auch das britische
Parlament die gezielt herbeigeführte Hungersnot in den 1930er Jahren
in der Ukraine als Völkermord anerkannt. Das Unterhaus in London
verabschiedete am Donnerstag einstimmig eine Entschließung, die die
konservative Abgeordnete Pauline Latham eingebracht hatte. Latham
sieht in dem - für die konservative britische Regierung nicht
bindenden - Beschluss eine Botschaft an Putin angesichts des Kriegs
gegen die Ukraine. Unter der Verantwortung des sowjetischen Diktators
Josef Stalin fielen 1932 und 1933 bis zu vier Millionen Menschen in
der Ukraine dem sogenannten Holodomor («Mord durch Hunger») zum
Opfer.

Das wird am Freitag wichtig

Die von Militärexperten erwartete ukrainische Gegenoffensive gegen
Russlands Truppen hat nach den Worten von Selenskyjs Berater Mychajlo
Podoljak bereits begonnen. Seine Erklärung dürfte neue Aufmerksamkeit
auf die Entwicklung auf dem Schlachtfeld lenken. Bundeskanzler Olaf
Scholz (SPD) trifft sich in Estland mit den Regierungschefs der drei
baltischen Länder, die alle an Russland grenzen.