Kiew wieder unter Beschuss - Schweiz lehnt Waffenlieferungen ab
02.06.2023 16:12
Wieder und wieder bombardiert Russland die ukrainische Hauptstadt
Kiew. Die Luftabwehr ist erfolgreich, aber auch Trümmerteile
abgefangener Raketen und Drohnen stellen eine große Gefahr dar. Und
die Schweiz bleibt trotz des völkerrechtswidrigen Angriffs hart.
Kiew/Bern/Moskau (dpa) - Russland hat seine ungewöhnlich heftigen
Angriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kiew auch in der Nacht zum
Freitag fortgesetzt. Die russische Armee habe insgesamt 15
Marschflugkörper und 18 Kampfdrohnen auf Kiew abgefeuert, teilte das
ukrainische Militär am Morgen mit. Alle Flugkörper seien von der
Luftverteidigung abgefangen worden. In der Nacht zuvor waren mehrere
Menschen getötet worden, darunter ein Kind. Es war bereits der
mindestens 19. russische Angriff auf die Millionenstadt seit Anfang
Mai. Die Schweiz bekräftigte unterdessen, dass sie der von Russland
bedrängten Ukraine auch über Drittländer kein Kriegsmaterial zukommen
lassen wolle.
Schweizer Parlament stimmt gegen indirekte Rüstungsexporte an Ukraine
Das Parlament in Bern lehnte einen Vorschlag für indirekte
Rüstungsexporte ab, der vom sicherheitspolitischen Ausschuss der
großen Parlamentskammer erarbeitet worden war. Die «Lex Ukraine»
hätte vorgesehen, dass andere Staaten Kriegsmaterial aus Schweizer
Produktion an die Ukraine liefern dürfen. Die Gesetze der neutralen
Schweiz verbieten die Unterstützung von Ländern, die an
Kriegshandlungen beteiligt sind. Mit dieser Begründung verbieten die
Eidgenossen bislang die Weitergabe etwa von Panzermunition an die
Ukraine, die vor Jahren von der Schweiz nach Deutschland verkauft
wurde. Die Befürworter einer Ausnahme argumentierten, dass die
Schweiz die Ukraine stärker unterstützen müsse. Die Gegner
befürchteten eine Verletzung der Neutralität.
Russischer Gouverneur: Zwei Frauen in Grenzregion getötet
In der an die Ukraine grenzenden russischen Region Belgorod sind
Angaben des Gouverneurs zufolge zwei Frauen durch Beschuss getötet
worden. Die beiden seien am Freitag in ihrem Auto unweit der Stadt
Schebekino unterwegs gewesen, als Granatsplitter ihr Fahrzeug trafen,
schrieb Wjatscheslaw Gladkow auf Telegram. Zwei Männer seien schwer
verletzt ins Krankenhaus gebracht worden. Gladkow machte für die
Angriffe die ukrainische Armee verantwortlich. Unabhängig überprüfen
ließ sich das zunächst nicht. Angriffe mit Drohnen und Explosionen
hatten zuvor auch die Regionen Kursk, Brjansk, Smolensk und Kaluga
gemeldet. Die vermehrten Angriffe auf russisches Staatsgebiet könnten
laut Beobachtern der Vorbereitung der seit längerem erwarteten
ukrainischen Offensive dienen.
London: Russland in Dilemma wegen Angriffen auf russisches Gebiet
Die russische Militärführung steckt nach Ansicht britischer
Geheimdienstexperten wegen der Angriffe «pro-ukrainischer Partisanen»
auf russisches Territorium in einem Dilemma. Moskau müsse sich
entscheiden, ob es die Verteidigung der eigenen Grenzregionen
verstärke oder die Stellungen in der Ukraine, hieß es im täglichen
Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London. Moskau
macht die Ukraine für die Angriffe verantwortlich, Kiew weist das
zurück.
Tschetschenen-Machthaber Kadyrow spricht von Offensive
Der Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow,
teilte auf Telegram mit, seine Kampfeinheit «Achmat» habe mit
Offensiven im ostukrainischen Gebiet Donezk begonnen. An der Seite
der regulären russischen Truppen seien große Teile des Ortes Marjinka
erobert worden, schrieb er. Unabhängig überprüfen ließ sich das
nicht. Kadyrow hatte erst kürzlich für Aufsehen gesorgt, als er
anbot, seine Truppe in die mittlerweile eroberte Stadt Bachmut zu
schicken, um die dort stationierten Kämpfer der Söldnergruppe Wagner
abzulösen. Dazu kam es dann aber doch nicht.
Blinken: Putins Krieg ist Fallstudie für strategisches Versagen
US-Außenminister Antony Blinken hat dem russischen Präsidenten
Wladimir Putin völliges strategisches Versagen bescheinigt. Es stehe
außer Frage, dass Russland heute in militärischer, wirtschaftlicher
und geopolitischer Hinsicht deutlich schlechter dastehe als vor dem
Einmarsch in die Ukraine, sagte Blinken am Freitag in einer Rede im
Rathaus der finnischen Hauptstadt Helsinki. Putin habe Russlands
Macht und Einfluss damit auf Jahre erheblich geschwächt. Der Kreml
habe dabei oft behauptet, das zweitstärkste Militär der Welt zu
haben, und viele hätten dies geglaubt. Heute betrachteten viele das
russische Militär als das zweitstärkste - in der Ukraine. Russlands
Vorgehen sei «eine Fallstudie im Versagen», sagte Blinken.
Baerbock über mögliche Putin-Verhaftung: Völkerrecht ist klar
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock pochte angesichts
einer möglichen Verhaftung des russischen Präsidenten Wladimir Putin
bei einer Reise zu einem politischen Gipfeltreffen nach Südafrika auf
das Völkerrecht. «Das Völkerrecht ist an dieser Stelle klar. Das
Völkerrecht macht deutlich: Kriegsverbrecher, Verantwortliche, die
Angriffskriege führen, die werden irgendwann zur Verantwortung
gezogen», sagte die Grünen-Politikerin in Wismar. Südafrika hat alle
Staatschefs der Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und
Südafrika zu einem Gipfel im August in Johannesburg eingeladen. Da
der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag einen
Haftbefehl gegen Putin erlassen und Südafrika die IStGH-Statuten
unterzeichnet hat, wäre das Land verpflichtet, Putin festzunehmen.