Migration: Gespräche über EU-Krisenverordnung vorerst gescheitert

26.07.2023 19:09

Brüssel (dpa) - Die Gespräche über eine Krisenverordnung innerhalb
der geplanten EU-Asylreform sind vorerst gescheitert - unter anderem
wegen Bedenken der Bundesregierung. Die Ständigen Vertreter der
EU-Länder konnten sich am Mittwoch in Brüssel nicht auf eine
gemeinsame Position für Verhandlungen mit dem Europaparlament
einigen. Die spanische Ratspräsidentschaft wollte dazu eigentlich bis
Ende dieses Monats eine Einigung herbeiführen. Nun wird sich das
Vorhaben noch einige Monate hinziehen. Diplomaten zufolge enthielten
sich neben Deutschland auch die Niederlande und die Slowakei. Polen,
Ungarn, Tschechien und Österreich stimmten gegen den Vorschlag.

Die Bundesregierung fürchtet, dass die Standards für Schutzsuchende
zu sehr herabgesetzt werden könnten. Der Vorschlag für die neue
Krisenverordnung sieht so etwa längere Fristen für die Registrierung
von Asylgesuchen an den Außengrenzen vor, außerdem die Möglichkeit
der Absenkung von Standards bei der Unterbringung und Versorgung.
Zudem sollen Schutzsuchende in Krisensituationen nach den
Vorstellungen des Rates verpflichtet werden können, sich länger als
zwölf Wochen in den Aufnahmeeinrichtungen in Grenznähe aufzuhalten.
Ländern wie Polen und Ungarn gehen die vorgeschlagenen
Ausnahmevorschriften nicht weit genug.

Die Krisenverordnung soll Teil eines großen Reformpakets für das
EU-Asylsystem werden. Wesentliche andere Teile waren zuletzt im Juni
per Mehrheitsentscheidung bei einem EU-Innenministertreffen auf den
Weg gebracht worden. Neben einer Pflicht zur Solidarität in
Notsituationen sehen sie zahlreiche Ergänzungen und Verschärfungen
der aktuellen Regeln vor, um illegale Migration zu begrenzen.

So sollen Asylanträge von Migranten aus Herkunftsländern mit einer
Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent in Zukunft bereits an
den EU-Außengrenzen innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden. In
dieser Zeit will man die Schutzsuchenden verpflichten, in streng
kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen zu bleiben. Wer keine Chance auf
Asyl hat, soll umgehend zurückgeschickt werden. Nun verhandeln das
Europaparlament und die EU-Staaten über die Pläne.

Unklar blieb am Mittwoch zunächst, ob der Streit über die
Krisenverordnung andere Teile der Asylreform blockieren könnte. Die
SPD-Abgeordnete Birgit Sippel sagte der Deutschen Presse-Agentur, das
Parlament habe zu Beginn des Jahres klar die Erwartung geäußert, dass
sich der Rat der Mitgliedstaaten zu allen ausstehenden
Migrationsvorschlägen positioniere. Für den Fall, dass dies nicht bis
zum Sommer geschehe, sollten die Verhandlungen zur Verbesserung der
EU-Datenbank mit Fingerabdruckdaten von Asylsuchenden (Eurodac) sowie
die Verhandlungen über die Einführung eines neuen obligatorischen
Screenings vor der Einreise vorerst ausgesetzt werden. Das Parlament
werde nach der Sommerpause das weitere Vorgehen beraten.