Pause oder weitere Zinserhöhung? EZB vor schwieriger Entscheidung
14.09.2023 04:30
Die hohe Inflation hält sich hartnäckig. Doch weil die Konjunktur
schwächelt, sind die Rufe nach einer Zinspause im Euroraum zuletzt
lauter geworden. Wie entscheiden die Währungshüter der EZB?
Frankfurt/Main (dpa) - Erhöht die Europäische Zentralbank (EZB) die
Leitzinsen zum zehnten Mal in Folge - oder legen die Währungshüter
des Euroraums wegen der schwächelnden Konjunktur eine Pause ein?
Selten wurde vor einer Sitzung des EZB-Rates so sehr über den
weiteren Kurs gerätselt wie dieses Mal. Wie sich die Notenbanker
entschieden haben, wird an diesem Donnerstagnachmittag (14.15 Uhr) in
Frankfurt verkündet.
«Angesichts von immer noch über fünf Prozent Inflation im Euroraum
und sogar über sechs Prozent in Deutschland dürfte die EZB noch
einmal ihre Leitzinsen um 25 Basispunkte anheben», meint der
Chefstratege der Privatbank Merck Finck, Robert Greil. Sollte die EZB
an diesem Donnerstag jedoch keine Zinsanhebung mehr beschließen,
dürfte nach Greils Einschätzung «in diesem Zinszyklus auch keine
weitere mehr kommen» - denn die Teuerung wird nach Einschätzung von
Volkswirten von September an spürbar geringer ausfallen.
Die beispiellose Serie von Zinserhöhungen seit Juli 2022 ist eine
Antwort der EZB auf die zeitweise extrem hohe Inflation. Neun Mal in
Folge hob die Zentralbank seither die Leitzinsen im Euroraum an. Der
Zins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches EZB-Geld besorgen können,
beträgt mittlerweile 4,25 Prozent und ist damit so hoch wie zuletzt
zu Beginn der weltweiten Finanzkrise Anfang Oktober 2008. Parken
Banken Geld bei der EZB, erhalten sie derzeit 3,75 Prozent Zinsen.
Die höheren Zinsen sind für Sparerinnen und Sparer gut: Festgeld und
Tagesgeld lohnen sich wieder - auch wenn einer aktuellen Übersicht
des Vergleichsportals Verivox zufolge immer noch ein Drittel von etwa
ausgewerteten 800 Banken und Sparkassen in Deutschland keine Zinsen
zahlen oder allenfalls Niedrigzinsen in Höhe von maximal einem
Viertelprozent (Stand: 8.9.2023).
Höhere Leitzinsen verteuern tendenziell aber auch Kredite. Das kann
die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Weil
teurere Kredite zugleich eine Last für die Wirtschaft sind, waren
zuletzt Forderungen nach einer Zinspause lauter geworden. Die EZB
sollte, «so begrüßenswert ihr Kampf gegen die Inflation auch ist, die
Konjunktursorgen vorerst nicht verstärken», mahnten jüngst die
Volkswirte der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba).
Commerzbank-Analyst Marco Wagner rechnet mit keiner weiteren
Zinserhöhung der EZB. Die Wirtschaftsaussichten hätten sich zuletzt
deutlich verschlechtert, die Industrieproduktion sei «bereits im März
regelrecht abgestürzt und hat sich seitdem nicht maßgeblich erholt»,
begründete Wagner.
Die EU-Kommission hat gerade erst ihre Konjunkturprognosen für die
Europäische Union und für Deutschland nach unten geschraubt. Die
Behörde rechnet für die EU und für die Eurozone im laufenden Jahr nur
noch mit 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum. Die deutsche Wirtschaft
wird nach dieser Einschätzung 2023 um 0,4 Prozent schrumpfen. Die EZB
legt an diesem Donnerstag ihre aktuellen Prognosen vor.
Von ihrem Ziel stabiler Preise bei einer mittelfristigen
Teuerungsrate von zwei Prozent im Euroraum ist die EZB nach wie vor
weit entfernt. Im August schwächte sich der Anstieg der
Verbraucherpreise im Währungsraum der 20 Länder nicht weiter ab. Die
jährliche Inflationsrate verharrte einer erste Schätzung des
Statistikamtes Eurostat zufolge bei 5,3 Prozent.
Die jüngsten Daten zeigten, «wie hartnäckig das Biest Inflation» se
i,
sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel kürzlich dem «Handelsblatt
».
«Wir sind zwar ein gutes Stück bei der Inflationsbekämpfung
vorangekommen. Unseren Zielwert für die Inflation haben wir aber
längst noch nicht erreicht.»