Europäer wollen restliche Atom-Sanktionen gegen Iran nicht aufheben
14.09.2023 20:22
Der Atompakt von 2015 sollte iranische Atomwaffen verhindern. Im
Gegenzug sollten westliche Sanktionen fallen. Da Teheran die
Abmachungen verletzt, erhöhen europäische Staaten nun den Druck.
Wien (dpa) - Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollen noch
bestehende Sanktionen gegen den Iran wegen dessen Atomprogramm nicht
aufheben. Weil der Iran den Pakt nicht einhalte, setzen sie sich
dafür ein, dass die Sanktionen in Kraft bleiben, wie die
Außenministerien der drei Staaten am Donnerstag mitteilten. Gemäß dem
Atomabkommen von 2015 (JCPOA), das die Islamische Republik an der
Entwicklung von Atomwaffen hindern sollte, war das Ende der
Sanktionen ursprünglich für Mitte Oktober geplant.
Mit ihrer Ankündigung erhöhten die sogenannten E3-Staaten den Druck
auf Teheran, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und das
iranische Atomprogramm auf diplomatischem Wege wieder einzudämmen.
«Wir sind bereit, unsere Entscheidung zurückzunehmen, wenn der Iran
seinen Verpflichtungen aus dem JCPOA uneingeschränkt nachkommt»,
kündigten sie an.
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell kündigte an, als Koordinator des
Atompaktes nun Beratungen mit dem Iran, China und Russland über
weitere Schritte aufzunehmen. Die drei Staaten hatten das
Atomabkommen gemeinsam mit Deutschland, Großbritannien, Frankreich
und den Vereinigten Staaten in Wien ausverhandelt.
Teheran hatte sich 2015 verpflichtet, die Anreicherung von Uran
drastisch einzuschränken und strikte Kontrollen der Internationalen
Atomenergiebehörde (IAEA) zuzulassen. Damit sollte der Bau von
Atomwaffen verhindert werden. Im Gegenzug wurden viele Sanktionen
gegen den Iran aufgehoben.
Der frühere US-Präsident Donald Trump verkündete jedoch 2018 den
Ausstieg der USA aus dem Pakt. Der Iran reagierte mit Verstößen gegen
seine nuklearen Verpflichtungen - unter anderem reicherte Teheran
Uran bis zu einem beinahe waffenfähigen Reinheitsgrad an. «Seine
Bestände an angereichtem Uran belaufen sich auf mehr als das
Achtzehnfache der nach dem JCPOA zulässigen Menge», hieß es von den
E3. Für diese Aktivitäten gebe es keine nicht-militärische
Rechtfertigung. Die Führung der Islamischen Republik hat stets
betont, Atomtechnologie nur für Stromerzeugung und andere friedliche
Zwecke einzusetzen.
Laut dem Atomabkommen sollten am 18. Oktober die noch laufenden
UN-Sanktionen, die im Zusammenhang mit dem Atomprogramm stehen,
aufgehoben werden. Dabei geht es unter anderem um Embargos für
konventionelle Waffen und Raketen-Trägersysteme, sowie um Sanktionen
gegen die iranischen Revolutionsgarden. Sollten die Europäer auf
einer Fortführung der Maßnahmen bestehen, müssten diese in EU-Recht
überführt werden.
Nach dem Amtsantritt von Trumps Nachfolger Joe Biden hatten sich USA
und die drei europäischen Staaten vergeblich bemüht, den Atompakt in
Verhandlungen mit dem Iran wiederherzustellen. Auch wenn es dabei
zuletzt keinerlei Fortschritte gab, bemühen sich Washington und
Teheran derzeit auf einer anderen Front um Deeskalation: Beide Seiten
haben sich kürzlich auf die Freilassung von US-Gefangenen aus dem
Iran geeinigt. Im Gegenzug werden eingefrorene iranische Öl-Einnahmen
freigegeben. Noch sind die Gefangenen jedoch nicht frei.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock telefonierte am Mittwoch
erstmals seit anderthalb Jahren mit ihrem iranischen Amtskollegen
Hussein Amirabdollahian. Ein besonderer Fokus lag dabei nach Angaben
des deutschen Außenministeriums auf «deutschen Konsularfällen». Im
Iran sind mehrere Deutsche inhaftiert. Baerbock traf am Donnerstag
republikanische US-Abgeordnete in Washington. Außerdem waren
Gespräche mit US-Außenminister Anthony Blinken geplant.