Deutschland hat bei EU-Schuldenregeln weiter Gesprächsbedarf
15.09.2023 12:15
Erst die Pandemie, dann der Ukrainekrieg: Die europäischen
Schuldenregeln für Staaten waren lange ausgesetzt. Jetzt beraten die
EU-Länder über eine Reform. Die Positionen liegen teils weit
auseinander.
Santiago de Compostela (dpa) - Im Ringen der EU-Länder um eine Reform
der gemeinsamen Schuldenregeln will Bundesfinanzminister Christian
Lindner in den kommenden Monaten eine Einigung erreichen - sieht aber
weiter Gesprächsbedarf. «Wir sind bereit und arbeiten hart dafür,
dass man bis zum Ende des Jahres zusammenkommt», sagte der
FDP-Politiker am Freitag bei einem Treffen der EU-Finanzminister im
spanischen Santiago de Compostela. Es sei aber noch einiges
miteinander zu besprechen, «denn es ist ja eine sehr komplexe und
sehr technische Materie».
Die Regeln schreiben den Staaten Obergrenzen vor: Im Kern sehen sie
vor, Schulden auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu begrenzen und
Haushaltsdefizite unter 3 Prozent zu halten. Die bislang geltenden
Regeln wurden wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen
Angriffs auf die Ukraine bis 2024 ausgesetzt. Derzeit wird in der EU
über eine Reform des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts
verhandelt.
Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, hochverschuldeten Ländern mehr
Flexibilität beim Abbau von Schulden und Defiziten einzuräumen. Statt
einheitlicher Vorgaben will die Behörde auf individuelle Wege für
jedes Land setzen, um Schulden und Defizite langfristig zu senken.
Die Positionen der Länder gehen dazu teils weit auseinander. Die
Bundesregierung etwa fordert strenge und einheitliche
Mindestvorgaben. Frankreich hatte sich klar gegen einheitliche Regeln
ausgesprochen.
«Fiskalische Puffer wiederherstellen»
Alle seien sich einig, dass verlässliche, realistische Regeln
notwendig seien, sagte Lindner. «Alle sprechen darüber, dass wir
fiskalische Puffer wiederherstellen müssen. Und alle reden über die
Notwendigkeit, Investitionen zu ermöglichen.» Für die Bundesregierung
sei neben realistischen Regeln wichtig, dass diese auch verlässlich
zu niedrigeren Defiziten und Schuldenständen führten.
Sein französischer Kollege Bruno Le Maire sagte: «Der Stabilitäts-
und Wachstumspakt muss Anreize für Strukturreformen enthalten.» Das
sei ein zentraler Punkt für Frankreich. Er sei der gleichen Meinung
wie Lindner, dass es gut wäre, bis Ende des Jahres einen endgültigen
Kompromiss zu finden.