Von der Leyen reist nach Lampedusa - Meloni fordert EU-Mission

16.09.2023 14:50

Italiens Regierungschefin pocht auf ein Eingreifen der EU, um
Migranten auf dem Weg über das Mittelmeer zu stoppen - wenn nötig mit
dem Einsatz der Marine. Ihre Forderungen dürfte sie bei einem Besuch
aus Brüssel auf der überlasteten Insel Lampedusa geltend machen.

Rom/Lampedusa (dpa) - EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
will nach der Ankunft Tausender Migranten auf der kleinen
Mittelmeerinsel Lampedusa noch an diesem Samstag nach Italien reisen.
Zuvor hatte die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni einen
europäischen Mission gefordert, um Migrantenboote auf dem Weg nach
Europa zu stoppen. Wenn nötig müsse die Marine eingesetzt werden,
sagte die Rechtspolitikerin in einer Videobotschaft am Freitagabend.
Nach Melonis Vorstellung sollen die Menschen bereits in Nordafrika
vom Ablegen abgehalten werden. Eine solche Mission müsse «sofort»
starten.

Seit Montag haben mehrere Tausend Bootsmigranten die kleine Insel
zwischen Sizilien und Nordafrika erreicht. Allein am Dienstag kamen
mehr als 5000 Menschen an - so viele wie noch nie an einem einzigen
Tag. Zeitweise war das Erstaufnahmelager mit rund 6800 Menschen
maßlos überfüllt. Wegen der Nähe zur tunesischen Küstenstadt Sfax

gehört Lampedusa seit Jahren zu den Brennpunkten der Migration nach
Europa. Der Stadtrat der Insel rief am Mittwoch angesichts der
angespannten Lage den Notstand aus.

Meloni lud von der Leyen nach Lampedusa ein, «um sich persönlich den
Ernst der Lage, in der wir uns befinden, bewusst zu machen». Am
Samstag sagte ein Sprecher von der Leyens der Deutschen
Presse-Agentur am Rande einer Veranstaltung in Hanau, die
Kommissionschefin werde am Samstag zunächst nach Rom und später mit
Meloni nach Lampedusa reisen. Ein weiterer Kommissionssprecher teilte
kurze Zeit später über die Plattform X mit, die Reise auf die Insel
sei für Sonntag vorgesehen.

Meloni sieht die EU in der Pflicht, Italien zu unterstützen. Sie habe
deswegen den Präsidenten des Europäischen Rats, Charles Michel,
gebeten, das Migrationsthema auf die Tagesordnung des EU-Gipfels im
Oktober zu setzen. Die Regierungschefin betonte die Wichtigkeit des
geplanten Abkommens mit Tunesien. Die vereinbarten finanziellen
Mittel müssen nach ihren Worten schnellstmöglich übertragen werden,
um den Deal zu beschleunigen.

Tunesien ist eines der wichtigsten Transitländer für Migranten auf
dem Weg nach Europa. Die EU-Kommission plant derzeit ein
Migrationsabkommen mit dem nordafrikanischen Land. Im Gegenzug für
millionenschwere Finanzhilfen soll Tunesien künftig stärker gegen
Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen, um dort die Abfahrten
von Menschen in Richtung Europa zu reduzieren.

Meloni sagte, das Mittelmeerland und Europa könnten die enorme Zahl
an Menschen nicht aufnehmen. «Der Migrationsdruck, den Italien seit
Anfang dieses Jahres erlebt, ist unhaltbar», sagte die
Rechtspolitikerin. Sie beabsichtige, «außergewöhnliche Maßnahmen»
zu
ergreifen. So solle das Höchstmaß der Haftdauer in
Abschiebungshaftanstalten angehoben werden. Meloni kündigte an, die
Maßnahmen sollten am Montag in einer Kabinettssitzung beschlossen
werden.

Italien wird seit Oktober 2022 von einer Rechtsallianz regiert. Die
ultrarechte Meloni versprach, die Migration einzuschränken. Bislang
konnte sie das Wahlversprechen nicht erfüllen. Seit Jahresbeginn
kamen laut Zahlen des Innenministeriums in Rom mehr Migranten als im
gesamten Jahr 2022 über das Meer nach Italien. Bis zum 15. September
waren es rund 127 200 Menschen (Stand 15. September) - im
Vorjahreszeitraum rund 66 200.

Angesichts der Lage auf Lampedusa beriet sich Bundesinnenministerin
Nancy Faeser mit ihrem französischen Amtskollegen Gérald Darmanin.
Weitere Gespräche mit EU-Amtskollegen und der Kommission sollten
folgen, hieß es am Samstag aus dem Bundesinnenministerium.
Deutschland hält daran fest, vorerst keine weiteren Migranten aus
Italien über den freiwilligen Solidaritätsmechanismus aufzunehmen.
Derzeit würden keine Interviews zur Vorbereitung von weiteren
Übernahmen aus Italien stattfinden, sagte ein Sprecher. Es gebe noch
einige Migranten, die das Verfahren bereits durchlaufen hätten und
übernommen würden. Die Interviews zur Vorbereitung von Übernahmen
könnten «jederzeit wieder aufgenommen» werden.