Von der Leyen will Italien helfen - Meloni für Härte gegen Migranten

17.09.2023 17:22

Tausende Migranten haben in wenigen Tagen die Insel Lampedusa
erreicht. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen macht sich mit
Italiens Regierungschefin ein Bild von der Lage. Der Besuch rückt den
jahrelangen Streit über die EU-Migrationspolitik in den Fokus.

Lampedusa (dpa) - Die EU-Kommission will mit stärkerer Überwachung
des Mittelmeers auf die zahlreichen Überfahrten von Migranten nach
Italien reagieren. Das kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der
Leyen am Sonntag bei einem gemeinsamen Besuch mit der italienischen
Regierungschefin Giorgia Meloni auf der Mittelmeerinsel Lampedusa an.
Meloni pochte auf ein härteres Vorgehen: Die Migranten müssten an der
Überfahrt nach Europa gehindert werden. Über die Umverteilung der
Menschen auf die Mitgliedstaaten zu reden, löse das Problem nicht.

Die EU-Außengrenze soll nach Worten von der Leyens stärker auf See
und aus der Luft überwacht werden. «Wir können dies über Frontex
tun», sagte sie mit Blick auf die EU-Grenzschutzagentur. Die deutsche
Spitzenpolitikerin fügte hinzu, sie unterstütze es, Optionen zur
Ausweitung bestehender Marine-Einsätze im Mittelmeer auszuloten oder
an neuen Einsätzen zu arbeiten. «Wir werden entscheiden, wer in die
Europäische Union kommt - und unter welchen Umständen. Und nicht die
Schleuser», sagte von der Leyen.

Italien gehört zu den EU-Staaten, wo besonders viele Migranten
ankommen. Über das Mittelmeer erreichten dieses Jahr nach Zahlen des
Innenministeriums in Rom bereits mehr als 127 200 Menschen das Land
(Stand 15. September). Im Vorjahreszeitraum waren es rund 66 200.
Wegen der Nähe zur tunesischen Küstenstadt Sfax gehört Lampedusa seit

Jahren zu den Brennpunkten der Migration nach Europa.

Von der Leyen und Meloni besuchten das Erstaufnahmelager auf der
Insel, das vor wenigen Tagen noch mit rund 6800 Menschen maßlos
überfüllt war. Sie besichtigten auch die für Migranten-Ankünfte
vorgesehene Mole. Auf dem Wasser schwammen zurückgelassene
Metallboote.

Derzeit gibt es nach EU-Informationen drei Frontex-Operationen im
Mittelmeer, um die EU-Außengrenzen zu sichern, gegen Schleuser
vorzugehen und Menschen in Not zu retten. Es gibt aber auch immer
wieder Berichte über illegale Pushbacks bei Frontex-Operationen.
Darunter versteht man die Zurückweisung von Schutzsuchenden an den
Außengrenzen, die nach internationalem Recht illegal sind.

Die Ausweitung der Überwachung ist Teil eines 10-Punkte-Plans, den
von der Leyen vorstellte. Demnach soll auch die Ausbildung der
tunesischen Küstenwache und anderer Strafverfolgungsbehörden
verbessert werden. Von der Leyen kündigte zudem ein härteres Vorgehen
gegen Schleuser an. Sie betonte auch, je besser bei der legalen
Migration vorgegangen werde, desto strenger könne man bei der
irregulären Migration sein.

Angesichts der Lage auf Lampedusa soll die EU-Asylagentur Italien bei
der Registrierung neuer Flüchtlinge helfen. Das Land soll zudem dabei
unterstützt werden, Migranten von der überlasteten Insel zu bringen.
Von der Leyen appellierte an die anderen EU-Staaten, freiwillig
Migranten aus Italien aufzunehmen.

Den EU-Staaten ist es bis heute nicht gelungen, eine umfassende
Reform des europäischen Asylsystems zu verabschieden. Im Juni wurde
zwar ein Kompromiss erzielt, wonach Asylverfahren deutlich verschärft
werden sollen. Es braucht aber noch eine Einigung mit dem
EU-Parlament. Der CDU-Europapolitiker Dennis Radtke mahnt zur Eile:
«Wenn das nicht kommt, kann die AfD den Sekt kaltstellen», sagte er
der Deutschen Presse-Agentur. Der Grünen-Europaabgeordnete Erik
Marquardt beklagte zu wenig Kompromissbereitschaft. «Die Positionen
unterscheiden sich stark und die Verhandlungen sind sehr zäh.»

Meloni sagte, es sei Aufgabe der gesamten EU, die Situation zu
bewältigen. «Wenn wir nicht ernsthaft und gemeinsam gegen die
illegalen Überfahrten vorgehen, werden die Zahlen dieses Phänomens
zuerst die Staaten an den Außengrenzen überrollen, aber dann alle
anderen», insistierte sie. «Das Problem ist ein Problem, das
unweigerlich alle betrifft und von allen angegangen werden muss.»