Migrationskrise auf Lampedusa: Italiens Kabinett berät über Maßnahmen
18.09.2023 04:30
Die Ankunft Tausender Bootsmigranten in kurzer Zeit hat die Insel
Lampedusa an ihre Grenzen gebracht. Die EU kündigt Unterstützung an.
Italiens Kabinett will nun ein härteres Vorgehen gegen Migration
beschließen.
Rom (dpa) - Angesichts der Ankunft mehrerer Tausend Bootsmigranten
auf Lampedusa will das italienische Kabinett an diesem Montag ein
Maßnahmenpaket zur Eindämmung irregulärer Migration auf den Weg
bringen. Die ultrarechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will nach
eigenen Worten «außergewöhnliche Maßnahmen» ergreifen. Bereits zu
vor
kündigte sie Beschlüsse zur Verschärfung der Abschiebehaft sowie die
Einrichtung von Abschiebehaftanstalten durch das Militär an. Am
Sonntag hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen Italien
europäische Unterstützung zugesichert.
Auf der kleinen Mittelmeerinsel zwischen Sizilien und Nordafrika
waren in der vergangenen Woche Tausende Migranten angekommen. Allein
am Dienstag zählten die Behörden rund 5000 Menschen, die auf Booten
den Hafen der Insel erreichten - so viele wie noch nie an einem
einzigen Tag. Mittlerweile wurden sehr viele Menschen von Lampedusa
nach Sizilien oder in Unterkünfte auf dem Festland gebracht. Trotzdem
ist das Erstaufnahmelager der Insel weiter völlig überlastet.
Regierungschefin Meloni hatte bereits in einer Videobotschaft in den
sozialen Medien am Freitagabend klargemacht, dass im Zentrum der
Beschlüsse die Anhebung des Höchstmaßes der Haftdauer bei
Abschiebungen auf 18 Monate stehen soll. Laut EU-Recht ist dies das
zulässige Maximum. Mit der Verschärfung der Abschiebehaft will Meloni
sicherstellen, dass irregulär Eingereiste so lange festgehalten
werden können, wie es für die Prüfung des jeweiligen Asylantrags
erforderlich ist. So soll eine mögliche Abschiebung einfacher
geschehen können.
Darüber hinaus soll das Verteidigungsministerium den Auftrag
erhalten, Strukturen zu schaffen, um irregulär eingereiste Migranten
festzusetzen. Die Einrichtungen sollen nach Melonis Worten «in
abgelegenen, möglichst dünn besiedelten Gebieten» errichtet werden,
die leicht eingegrenzt und überwacht werden können.
EU-Kommissionschefin von der Leyen hatte Italien bei ihrem
kurzfristigen Besuch am Sonntag auf Lampedusa unterdessen europäische
Unterstützung zugesichert. Das Mittelmeer soll nach ihren Worten
stärker überwacht werden. «Wir können dies über Frontex tun», s
agte
sie mit Blick auf die EU-Grenzschutzagentur. Sie fügte hinzu, sie
unterstütze es, Optionen zur Ausweitung von Marine-Einsätzen im
Mittelmeer auszuloten oder an neuen Einsätzen zu arbeiten. «Wir
werden entscheiden, wer in die Europäische Union kommt - und unter
welchen Umständen. Und nicht die Schleuser.»
Meloni forderte ein härteres Vorgehen gegen Migranten. Die Menschen
müssten schon in Nordafrika an der Überfahrt nach Europa gehindert
werden. Die Umverteilung der Menschen auf die Mitgliedstaaten löse
das Problem nicht. Sie sagte, es sei Aufgabe der gesamten EU, die
Situation zu bewältigen.
Wegen der hohen Migrationszahlen steht Meloni innenpolitisch massiv
unter Druck. Über das Mittelmeer erreichten dieses Jahr laut
Innenministeriums bereits mehr als 127 200 Menschen das Land (Stand
15. September). Im Vorjahreszeitraum waren es rund 66 200.
Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck sprach sich für eine «neu
e
Entschlossenheit» in der europäischen Flüchtlingspolitik aus. In der
ZDF-Sendung «Berlin direkt» sagte Gauck am Sonntagabend, die Politik
müsse entdecken, «dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausgereicht
haben, um den Kontrollverlust, der offensichtlich eingetreten ist, zu
beheben». Eine «neue Entschlossenheit» müsse den Bevölkerungen in
Europa den Eindruck vermitteln, dass die Regierungen handlungswillig
und -fähig seien. «Und dazu bedarf es offenkundig auch der Debatte
neuer Wege und nicht nur das Drehen an Stellschrauben.»