Warnhinweise auf Alkoholika - Wird aus Irlands Alleingang ein Trend?

19.09.2023 07:00

Irland geht mit Warnhinweisen auf alkoholhaltigen Getränken EU-weit
voran. Kommen auch in Deutschland neue Vorschriften? Handlungsbedarf
wird sowohl in Brüssel als auch in Berlin gesehen.

Dublin/Berlin (dpa) - Wie die Warnhinweise bei alkoholhaltigen
Getränken genau aussehen werden, ist noch unklar. Aber dass sie von
2026 an auf allen Flaschen und Dosen gedruckt sein müssen, steht in
einem ersten EU-Mitgliedsland fest: Irland geht mit dieser Vorschrift
für die Kennzeichnung voran. Der Drogen- und Suchtbeauftragte der
Bundesregierung begrüßt das Vorgehen und kündigt selbst weitere
Schritte an. Branchenvertreter halten die bestehenden Regelungen in
Deutschland hingegen für ausreichend.

Was plant Irland genau?

Auf Tabakwaren haben Warnhinweise nach Ansicht der irischen Regierung
bereits Wirkung gezeigt. Jetzt sollen auch auf Bier- und
Whiskey-Flaschen die Etiketten vor Gefahren wie Lebererkrankungen
oder Krebs warnen. Ziel sei eine ausgewogene Entscheidung der
Verbraucher, hatte Gesundheitsminister Stephen Donnelly gesagt.
«Dieses Gesetz soll uns allen ein besseres Verständnis des
Alkoholgehalts und der mit dem Alkoholkonsum verbundenen
Gesundheitsrisiken vermitteln.» Auch in anderen EU-Staaten sind
bereits Vorschriften in Kraft. In Frankreich etwa muss bei der
Werbung auf Gefahren vor allem für Schwangere hingewiesen werden.
Doch Irland werde als erstes Land auf allen alkoholischen Produkten
eine Gesundheitskennzeichnung einführen, lobte die
Weltgesundheitsorganisation im Mai.

Wird auch in Deutschland Handlungsbedarf gesehen?

Der Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard
Blienert, dringt auf umfangreichere Einschränkungen bei der
Alkoholwerbung und mehr Jugendschutz. Werbung bestimme maßgeblich
mit, ob und wie viele Menschen auf Alkohol aufmerksam würden. Das
betreffe auch Menschen, die schon ein erhebliches Suchtproblem hätten
und sich dadurch noch weniger schützen könnten. Alkoholwerbung müsse

zuallererst dort unterbunden werden, wo sie vor allem Kinder und
Jugendliche wahrnähmen. Warnhinweise auf Etiketten gingen in die
richtige Richtung. Es sei aber mehr nötig.

Was sagen die Hersteller?

Nach Ansicht der Alkoholhersteller reichen die bisherigen Regelungen
aus, wie ihre Verbände deutlich machen. Der Konsum von alkoholischen
Getränken, insbesondere von alkoholhaltigem Bier, sei seit vielen
Jahren rückläufig, betont der Deutsche Brauer-Bund. Auch der
Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen gehe seit Jahren zurück.
Bald werde jeder zehnte in Deutschland gebraute Liter Bier
alkoholfrei sein. Das Deutsche Weininstitut sowie der Bundesverband
der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure setzen wie der
Brauverband auf Selbstverpflichtungen.

Wie geht die EU mit dem Alleingang Irlands um?

Die europäischen Wettbewerbshüter, also die EU-Kommission, tolerieren
den Alleingang. Die irischen Behörden hätten hinreichend
nachgewiesen, dass die Maßnahmen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen
beruhten und dass sie den gesundheitspolitischen Anliegen des Landes
Rechnung trügen, sagte eine Kommissionssprecherin. Die sich daraus
ergebenden Beschränkungen des Binnenmarktes seien verhältnismäßig.

Der Deutsche Brauer-Bund hält dagegen, die Lebensmittelkennzeichnung
in der EU sei einheitlich geregelt, und alle Staaten müssten sich
daran halten. Auch der europäische Weinverband CEEV oder der
Herstellerverbund Spirits Europe kritisierten unterschiedliche Regeln
für den gemeinsamen Markt.

Wird es zu EU-weiten Vorgaben zu Warnhinweisen kommen?

Der Alkoholkonsum in Europa sei weltweit am höchsten, und
alkoholbedingte Schäden seien ein großes Problem, heißt es bei der
EU-Kommission. «Leider ist das Bewusstsein für schädlichen
Alkoholkonsum als Risikofaktor für Krebs in der EU immer noch gering,
weshalb sich die Bereitstellung zusätzlicher Informationen für die
Verbraucher über schädlichen und übermäßigen Alkoholkonsum als
nützlich erweisen kann, um die Gesundheit der Bürger zu schützen»,

sagte die Sprecherin. Die EU-Kommission wolle zunächst Fakten
sammeln. Dem soll auch eine im April gestartete Studie zur
Wirksamkeit von Gesundheitsinformationen auf alkoholischen Getränken
dienen.

Wird die Bundesregierung schärfere Vorgaben machen?

Der Suchtbeauftragte Blienert sieht bei seinen Vorschlägen die
Bundesregierung am Zug. Er ist mit mehreren Bundesministerien im
Gespräch. «Wir verschärfen die Regelungen für Marketing und
Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis. Wir messen Regelungen
immer wieder an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und richten
daran Maßnahmen zum Gesundheitsschutz aus», heißt es im
Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition. Aus Sicht der Branche ist die
Wirksamkeit von Warnhinweisen auf das Verhalten nicht bewiesen. Der
Zusammenhang zwischen Alkohol und Krebsrisiken sei hochkomplex und
könne durch einen Warnhinweis nicht angemessen erläutert werden,
meint der Deutsche Brauer-Bund.