«Überzeugte Europäerin»: Barley soll SPD in Europawahl führen
25.09.2023 17:23
Bei der letzten Europawahl schnitten die Sozialdemokraten so schlecht
ab wie nie. Trotzdem soll für die deutsche SPD die Spitzenkandidatin
von damals ran: «Allzweckwaffe» Katarina Barley.
Berlin (dpa) - Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina
Barley, soll die SPD als Spitzenkandidatin in die Europawahl 2024
führen. Die 54-Jährige wurde am Montag einstimmig vom Parteipräsidium
nominiert. «Du bist eine überzeugte Europäerin, eine
leidenschaftliche Europäerin», sagte Parteichef Lars Klingbeil in
Berlin über die Spitzenfrau der SPD in Brüssel. Barley solle erneut
das Gesicht der Partei bei der Europawahl werden.
Klingbeil betonte, die Europawahl werde eine Richtungsentscheidung.
«Europa ist unter Druck geraten in den letzten Jahren», sagte er. Es
gebe Angriffe von Rechtspopulisten, Rechtsextremen und manchmal auch
Konservativen auf die europäischen Werte. Barley selbst warnte vor
einem Ruck nach rechts. Die politische Auseinandersetzung werde immer
greller, Vernunft und Anstand spielten eine immer geringere Rolle.
Europa aber brauche genau das Gegenteil. Die SPD stehe immer fest an
der Seite der Demokratie, versicherte sie.
Kanzler Olaf Scholz betonte: «Europa ist wichtig für Frieden und
Sicherheit.» Deshalb sei es so zentral, dass man sich auf die
europäischen Institutionen verlassen könne. Genau dafür stehe Barley.
«Wir kämpfen um jede einzelne Stimme», betonte Scholz.
Für die Juristin Barley ist es bereits die zweite Spitzenkandidatur,
auch bei der Europawahl 2019 trat sie als deutsche Nummer eins für
die SPD an. Damals erzielten die Sozialdemokraten mit 15,8 Prozent
ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten.
In Brüssel und Straßburg agierte Barley in den vergangenen vier
Jahren relativ geräuschlos. Als Vizepräsidentin des Europäischen
Parlaments ist sie automatisch Mitglied des Präsidiums, das über
finanzielle, organisatorische und administrative Fragen entscheidet.
Darüber hinaus kann sie von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola
beauftragt werden, das Parlament bei offiziellen Anlässen zu
vertreten.
Politisch setzte sich die 54-Jährige in ihrer bisherigen Amtszeit
unter anderem für ein entschlossenes Vorgehen gegen Verstöße gegen
die Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union ein. So fordert sie
einen harten Kurs gegen den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor
Orban, dem etwa vorgeworfen wird, die Medienfreiheit in seinem Land
einzuschränken.
Den CSU-Europapolitiker und Chef der christdemokratischen
europäischen Parteienfamilie, Manfred Weber, kritisierte Barley
zuletzt mehrfach für dessen Gesprächsbereitschaft mit rechten
Politikern. Weber habe «ganz bewusst die Flanke nach rechts geöffnet
und macht daraus auch kein Geheimnis», sagte sie jüngst der
«Augsburger Allgemeinen». Der CSU-Politiker wolle nach der Europawahl
mit Rechtspopulisten und denen noch weiter rechts zusammenarbeiten.
Barley habe sich einen Namen als Rechtsexpertin erstritten, «die sich
mit ganzem Einsatz gegen den Abbau von Demokratie und Rechtsstaat
durch die Nationalisten in der EU stark macht», betonte der
Vorsitzende der SPD-Europaabgeordneten, Jens Geier. Die Liste für die
Europawahl solle im Januar von einer SPD-Europadelegierten-Konferenz
beschlossen werden.
Vor ihrer Karriere beim Europäischen Parlament war die Juristin
Barley Bundesjustizministerin, zuvor Familienministerin und
SPD-Generalsekretärin. Einige Jahre arbeitete sie als
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht.
«Ich bin Europäerin durch und durch», so versichert Barley auf ihrer
Internetseite. Das liegt vor allem an ihrer Familiengeschichte: Die
Mutter der gebürtigen Kölnerin ist Deutsche, der Vater Brite.
Studiert hat sie unter anderem in Paris. Der Nachname, so muss Barley
häufiger erklären, wird wie Bob Marley ausgesprochen. «Kann man sich
gut merken», meint sie.
Die zweifache Mutter ist seit 1994 Mitglied der SPD. Sie machte
jedoch erst einmal Karriere als Juristin, bis sie 2013 in den
Bundestag einzog. Danach ging die Politik-Karriere schnell:
Generalsekretärin, Ministerin in mehreren Ressorts. Sie hat sich
selbst mal als Allzweckwaffe der SPD bezeichnet. 2019 war sie die
erste in der Bundesregierung, die für eine Europa-Spitzenkandidatur
ein Ministeramt aufgab.
Die SPD ist nicht die erste Partei, die sich für die Europawahl
aufstellt: Für die FDP tritt Verteidigungsexpertin Marie-Agnes
Strack-Zimmermann an. Für die Linken will Parteichef Martin
Schirdewan, derzeit Co-Fraktionschef im Europaparlament, wieder ran.
Daneben hat die Parteispitze unter anderem die Flüchtlingsaktivistin
Carola Rackete für die vorderen Listenplätze vorgeschlagen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dagegen hat sich
bisher nicht dazu geäußert, ob sie nach der Europawahl eine weitere
Amtszeit anstrebt. Um weitere fünf Jahre an der Spitze der
EU-Kommission bleiben zu können, müsste sich die CDU-Politikerin nach
derzeitigem Stand der Dinge als Spitzenkandidatin der europäischen
Parteienfamilie EVP aufstellen lassen. Zu dieser gehören neben der
deutschen CDU und CSU unter anderem die österreichische ÖVP, die
italienische Forza Italia oder Spaniens konservative Volkspartei PP.