Faeser: Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien in Vorbereitung

25.09.2023 18:55

Was würden mehr Kontrollen an deutschen Grenzen bringen? Und warum
geben die Kommunen selten Sachleistungen an Asylbewerber aus? Beide
Fragen sind nicht nur zwischen Regierung und Opposition umstritten.
Auch innerhalb der Ampel-Koalition wird der Ton schärfer.

Berlin/Neuhausen (dpa) - Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat
zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität an d
en
Grenzen zu Tschechien und Polen angekündigt. «Um Schleuser zu
stoppen, bereiten wir jetzt zusätzliche Kontrollen an unseren Grenzen
zu Polen und Tschechien vor», sagte sie den Zeitungen der Funke
Mediengruppe (Online Montag, Print Dienstag). «Wir verknüpfen unsere
zusätzlichen Maßnahmen sehr eng mit der bereits stark intensivierten
Schleierfahndung im gesamten Grenzgebiet.»

Mit ihren Amtskollegen in Tschechien und Polen sei sie in einem engen
Kontakt, um «gut abgestimmte Maßnahmen zu treffen». «Mein Ziel ist

maximaler Ermittlungsdruck auf Schleuser und der Schutz der Menschen,
die unter lebensgefährlichen Bedingungen, oft ohne Wasser und mit
kaum Sauerstoff, über Grenzen geschmuggelt werden», sagte Faeser. Am
Wochenende habe es Kontakte mit dem tschechischen Innenminister und
auf hoher Beamtenebene auch mit der polnischen Seite gegeben, hieß es
aus dem Ministerium. Faeser werde noch vor dem
EU-Innenministertreffen an diesem Donnerstag auch mit ihrem
polnischen Amtskollegen über das Thema beraten, so dass sehr schnell
zusätzliche Maßnahmen getroffen werden könnten.

Die Zahl der Schleusungen und unerlaubten Einreisen über die
deutsch-polnische Grenze in Brandenburg steigt weiter deutlich. In
den vergangenen zwei Wochen seien 550 Menschen festgestellt worden,
die illegal über die Grenze gebracht worden seien, sagte Brandenburgs
Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Montag. Im Durchschnitt seien
das 50 aufgegriffene illegal Eingereiste pro Tag - nach
durchschnittlich 35 im August. Acht Schleuser seien gefasst worden.
«Die Zunahme der illegalen Schleusungen gerade über die
deutsch-polnische Grenze sprengt gerade jeden Rahmen», sagte Stübgen
bei einem Besuch im Kreis Spree-Neiße.

Die meisten dieser Migranten stammen dem Innenressortchef zufolge aus
Syrien, dahinter folgten Menschen aus der Türkei, kleinere Gruppen
kämen aus Indien, Afghanistan und dem Irak.

Seit Herbst 2015 gibt es vorübergehende Grenzkontrollen in Bayern an
der Grenze zu Österreich. Sie werden vom Bundesinnenministerium bei
der EU-Kommission angemeldet und jeweils verlängert. Für andere
Grenzabschnitte hat Faeser solche Kontrollen, die in Brüssel mit
einem Vorlauf von etwa einem Monat beantragt werden müssen, bislang
für nicht sinnvoll erachtet.

Die Grünen halten ständige Kontrollen direkt an der Grenze und die
von Unionspolitikern und der FDP ebenfalls vorgeschlagene Ausgabe von
Sachleistungen an Asylbewerber dagegen nicht für geeignete Maßnahmen
zur Bewältigung der aktuellen Fluchtzuwanderung. Die Verteilung von
Sachleistungen sei bereits erlaubt, sagte der Co-Vorsitzende Omid
Nouripour am Montag in Berlin nach einer Sitzung des
Parteivorstandes. Sie werde aber wegen des damit verbundenen großen
Arbeitsaufwands für die Kommunen kaum praktiziert. Mobile Kontrollen
seien auch wegen der Belastung für die Bundespolizei besser als
stationäre Kontrollen an den deutschen Grenzen, fügte er hinzu.

In der Flüchtlingspolitik gebe es weder einfache noch schnelle
Lösungen, betonte der Grünen-Politiker. Deshalb täten die Politiker
der demokratischen Parteien gut daran, «auf Parolen zu verzichten».
Einige Äußerungen politischer Mitbewerber aus den vergangenen Tagen
seien offensichtlich den Landtagswahlkämpfen in Hessen und Bayern
geschuldet.

Aus Sicht der Grünen müssten die Kommunen schnell finanziell
entlastet werden, damit sie die Unterbringung und Integration der
Geflüchteten bewältigen könnten. Wichtig sei außerdem, dass mögli
chst
schnell mit Herkunftsstaaten Abkommen über Migration- und Rückführung

vereinbart würden. Auch müsse der «Integrationsmotor Arbeitsmarkt»

schneller angeworfen werden. Dafür sollten die Möglichkeiten genutzt
werden, aus dem Asylverfahren in die Erwerbsmigration zu wechseln.
«Spurwechsel - das ist das Gebot der Stunde», sagte Nouripour.

Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge mehr als 204 000 Erstanträge auf Asyl - ein Plus von 77
Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Untergebracht und
versorgt werden müssen zudem mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge
aus der Ukraine.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bekräftigte unterdessen seine
Kritik am grünen Koalitionspartner. Die Bundesregierung müsse beim
Thema Migration ein gemeinsames Verständnis für die Realität im Land

haben, sagte er nach Beratungen des FDP-Präsidiums. «Es wird nicht
funktionieren, wenn ein Koalitionspartner die Dinge anders sieht oder
durch Bedenken gesamteuropäische Lösungen aufhält.» Djir-Sarai hatt
e
am Wochenende gesagt: «Ob bei Reformen auf europäischer Ebene oder
bei der Einstufung der sicheren Herkunftsländer: Die Grünen sind in
der Migrationspolitik ein Sicherheitsrisiko für das Land und
erschweren durch realitätsferne Positionen konsequentes
Regierungshandeln und parteiübergreifende Lösungen.»

Bund und Länder sind indes weiter uneins darüber, wie sie die Kosten
für die Versorgung der Flüchtlinge in Deutschland aufteilen. Zum
Ausgang einer Videokonferenz einer Arbeitsgruppe am Montag gab es aus
Teilnehmerkreisen unterschiedliche Bewertungen. Übereinstimmend hieß
es aber, es herrsche weiterhin keine Einigkeit bei der Höhe der
künftigen Beteiligungen des Bundes. Wie das aktuelle Angebot der
Bundesregierung an die Länder für 2024 in den Verhandlungen
grundsätzlich zu bewerten sei, wurde unterschiedlich gesehen.

Die Frage, wie viel Geld der Bund etwa für die Unterbringung
dazugibt, ist angesichts steigender Flüchtlingszahlen seit Monaten
umstritten und soll auch Thema eines Bund-Länder-Gipfels im November
werden. Mitte Mai hatte der Bund den Ländern eine Milliarde Euro als
zusätzliche Beteiligung für dieses Jahr zugesagt. Damit sollen sie
dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zu entlasten und die
Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren. Länder und
Kommunen wollen hingegen für die Zukunft ein sogenanntes atmendes
System, bei dem sich die Zahlungen dauerhaft an der tatsächlichen
Zahl der Geflüchteten orientieren.

Wegen der aktuellen hitzigen Debatte über irreguläre Migration, der
zugespitzten Situation in den Kommunen und den Landtagswahlkämpfen
gilt eine Einigung zwischen Bund und Ländern derzeit als Kraftakt.