Faeser kündigt «flexible Schwerpunktkontrollen» an Schleuserrouten an
27.09.2023 14:03
Tut sie es oder tut sie es nicht? Viel ist in den vergangenen Tagen
darüber gerätselt worden, was die Bundesinnenministerin denn nun
plant an den Grenzen zu Polen und Tschechien. Dort kommen derzeit
besonders viele Asylbewerber an. Jetzt hat sich Faeser im Bundestag
erklärt.
Berlin (dpa) - Über die Landgrenze zu Österreich hinaus will
Bundesinnenministerin Nancy Faeser aktuell keine stationären
Grenzkontrollen bei der EU-Kommission beantragen. Für die Zukunft
schließt sie dies jedoch nicht aus.
Die SPD-Politikerin stellte am Mittwoch in einer Sitzung des
Innenausschusses des Bundestages Pläne für verstärkte Kontrollen an
den Grenzen zu Tschechien und Polen vor. Nach Angaben aus
Teilnehmerkreisen sagte sie den Abgeordneten, die geplanten Maßnahmen
«entlang der Schleuserroute» sollten «lageabhängig auch an der
Grenze», «wechselnd und flexibel» sein. Mit Tschechien habe sie eine
ähnliche Zusammenarbeit wie mit der Schweiz vereinbart, dazu gehörten
auch Kontrollen auf der tschechischen Seite der Grenze.
«Das sind keine effektiven Maßnahmen», kritisierte der
innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU).
Faeser, die Spitzenkandidatin der hessischen SPD für die Landtagswahl
am 8. Oktober ist, warf er vor, sie habe die Bevölkerung aus
wahltaktischen Gründen in den vergangenen Tagen mit verwirrenden
Äußerungen zu Grenzkontrollen getäuscht.
Nach der Sitzung erklärte die Ministerin, die flexiblen Kontrollen
seien effektiv gegen Schleuserkriminalität, beeinträchtigten aber den
Alltag der Pendler im Grenzgebiet nicht so stark. Nun müsse man
schauen, welche Wirkung die zusätzlichen Kontrollen entfalten.
Stationäre Kontrollen, die bei der EU-Kommission beantragt werden
müssen, schloss Faeser für die Zukunft nicht kategorisch aus.
Seit Herbst 2015 gibt es stationäre Kontrollen in Bayern an der
Grenze zu Österreich. Diese erstmals vom damaligen
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei der EU-Kommission
notifizierten Kontrollen wurden seither immer wieder verlängert.
Aufgrund der gestiegenen Zahl von Asylbewerbern hatten
Landesinnenminister der CDU Faeser aufgefordert, solche Kontrollen
auch an den Grenzen zu Tschechien und Polen zu beantragen. Wer an der
Grenze ein Asylbegehren äußert, kann im Regelfall jedoch auch bei
stationären Grenzkontrollen nicht gleich abgewiesen werden.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte: «Menschen, die
nicht aus humanitären Gründen hierherkommen und keine
Bleibeperspektive haben, müssen zügiger abgeschoben werden.» Er
sprach sich dafür aus, dass Asylverfahren in Drittstaaten
durchgeführt werden sollten. Bislang verfolgt die Bundesregierung
solche Pläne allerdings nicht. Auch hat sich bisher kein Staat
außerhalb der Europäischen Union angeboten, in dem Asylbewerber dann
auf den Abschluss ihres Verfahrens warten könnten.
Der Deutsche Landkreistag forderte nach einer Sitzung seines
Präsidiums erheblich verstärkte Anstrengungen zur Begrenzung des
Zuzugs von Geflüchteten. Der Präsident des kommunalen
Spitzenverbands, Reinhard Sager, sagte: «In vielen Landkreisen werden
Notunterkünfte wie Zelte und Turnhallen genutzt, sämtliche
verfügbaren leerstehenden Heime oder Hotels sind angemietet worden.»
Dies werde gesellschaftlich zu einem immer größeren Problem. Wichtig
sei darüber hinaus, dass die Bundesländer nur Menschen auf die
Kommunen weiterverteilen, die eine Bleibeperspektive haben, sagte er
an die Adresse der Landesregierungen.
Die Bundespolizei hat von Jahresbeginn bis Ende August insgesamt rund
71 000 unerlaubte Einreisen festgestellt. Hauptherkunftsländer sind
Syrien, Afghanistan, die Türkei und der Irak. Im gleichen Zeitraum
stellten mehr als 204 000 Menschen erstmals in Deutschland einen
Asylantrag - rund 77 Prozent mehr als in den ersten acht Monaten des
Vorjahres.
«Der entscheidende Schritt» für die Verringerung der Asylzahlen sei
die geplante Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, sagte
Faeser. Die dafür zwischen den Innenministern abgestimmten Pläne
sehen unter anderem eine Asyl-Vorprüfung an den Außengrenzen und eine
Rückführung von Menschen ohne Schutzanspruch direkt von dort vor.
Ob das Reformpaket noch vor der Europawahl im kommenden Jahr
verabschiedet werden kann, ist aber noch offen. Unter anderem
Deutschland hatte Bedenken gegen eine sogenannte Krisenverordnung
angemeldet. Der dazu vorgelegte Entwurf sieht etwa vor, dass in
Krisensituationen der Zeitraum verlängert werden könnte, in dem
Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden. Zudem
könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die
geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt. Faeser zeigte sich
am Mittwoch zuversichtlich, dass man hierbei zu einer Einigung kommen
werde.