Schnelles Internet - EU-Kommission sieht Nachholbedarf in Deutschland
27.09.2023 16:43
In Sachen Internet hat die EU-Kommission sich bis 2030 viel
vorgenommen - etwa ein bessere Netzabdeckung, Online-Behördengänge
für alle und mehr Know-How. Vor allem zwei Dinge machen ihr nach
einer Bestandsaufnahme nun Sorgen. Wie steht Deutschland im Vergleich
da?
Brüssel (dpa) - Deutschland muss aus Sicht der EU-Kommission beim
Ausbau der digitalen Infrastruktur mehr tun. Der reine
Glasfaser-Anteil beim Festnetz liegt in der Bundesrepublik mit 19
Prozent wesentlich niedriger als im EU-Schnitt (56 Prozent), wie aus
einem am Mittwoch vorgestellten Bericht der Brüsseler Behörde zum
Stand der digitalen Transformation in Europa hervorgeht. Deutschland
sollte seine Anstrengungen in Sachen «Glasfaser in die Gebäude»
verstärken, betonen die Autoren. «Es ist wichtig, dass Deutschland
Hindernisse beseitigt und Investitionen in Hochleistungsnetzwerke
verstärkt.»
In Deutschland wurde für Internetverbindungen zuhause jahrzehntelang
vor allem auf Telefonkabel (VDSL) gesetzt, das nur relativ langsame
und schwankungsanfällige Datenübertragungen ermöglichte. Je stärker
der Datenbedarf im Internetzeitalter stieg, desto mehr kam VDSL aus
der Mode. Auch Fernsehkabel spielten bei der Internetnutzung eine
wichtige Rolle. In Sachen Glasfaser war Deutschland ein Spätstarter,
erst seit wenigen Jahren werden Milliarden investiert.
Millionen-Investionen für Gigabit-Tempo nötig
Auch EU-weit müssen die Netze aber ausgebaut werden, so die Experten.
Damit in der ganzen EU in Gigabit-Geschwindigkeit gesurft werden
kann, werden den Angaben nach zusätzliche Investitionen in Höhe von
mindestens 200 Milliarden Euro gebraucht. Dieses Geld sei auch
notwendig für eine Abdeckung mit 5G in allen besiedelten Gebieten.
Sowohl beim Festnetz als auch beim Mobilfunk sehen die Fachleute noch
Defizite: Derzeit erreichen den Angaben zufolge Glasfasernetze nur 56
Prozent der Haushalte. 55 Prozent der EU-Haushalte auf dem Land seien
immer noch nicht an ein fortschrittliches Netz angebunden und 9
Prozent gar nicht mit Festnetz versorgt. 81 Prozent der Bevölkerung
in der EU seien mit dem Mobilfunkstandard 5G abgedeckt - in
ländlichen Gegenden allerdings nur 51 Prozent. Bei den 5G-Handynetzen
schneidet Deutschland im Vergleich relativ gut ab: Jeder der drei
hierzulande tätigen Netzbetreiber erreicht mit seinen Antennen nach
eigenen Angaben mehr als 90 Prozent der deutschen Haushalte.
Bis 2030 sollen in der EU alle Haushalte Internet in
Gigabitgeschwindigkeit haben, in besiedelten Räumen soll eine
Netzabdeckung mit 5G gewährleistet sein. Diese Ziele hatte sich die
Kommission 2021 mit der sogenannten digitalen Dekade gesetzt. So
sollen etwa auch bis Ende des Jahrzehnts alle Bürger wichtige
Behördengänge online erledigen können. Die digitalen Grundkenntnisse
sollen bei mindestens 80 Prozent der 16- bis 74-Jährigen verbessert
werden. Zudem sollen 2030 20 Millionen Computer-Fachleute in der EU
arbeiten, und mindestens 20 Prozent der weltweiten Produktion von
Halbleitern sollen hier angesiedelt sein.
Viele Menschen ohne digitale Grundkenntnisse
Gerade in Sachen digitales Know-How sieht es derzeit eng aus. Wie aus
dem Bericht hervorgeht, werden bis 2030 unter den derzeitigen
Bedingungen nur 59 Prozent der Bevölkerung zumindest über digitale
Grundkenntnisse verfügen. Die Zahl der IT-Kräfte dürfte 2030 zwölf
Millionen nicht übersteigen, hieß es.
Auch bei den digitalen Grundkenntnissen in der Bevölkerung liegt
Deutschland den Angaben nach mit 49 Prozent weiterhin unter dem
EU-Schnitt (54 Prozent). Der Anteil der Computer-Spezialisten an der
Gesamtbeschäftigung (5 Prozent) liege aber etwas über dem
Durchschnitt (4,6 Prozent). Die künftigen Wachstumsaussichten in
diesem Bereich würden jedoch durch hohe Studienabbrecherquoten in den
entsprechenden Fächern beeinträchtigt, hieß es. Deutschland sollte
die Aus- und Weiterbildung im Bereich der digitalen Kompetenzen
ausbauen, so die Experten - etwa Kurse auf allen Ebenen und in allen
Disziplinen für die gesamte Bevölkerung entwickeln. Erhebliche Lücken
sehen die Experten darüber hinaus bei öffentlichen Dienstleistungen
in Deutschlands.
Das Bundesdigitalministerium nehme den Bericht als Ansporn, die
Anstrengungen zur beschleunigten Digitalisierung konsequent
fortzuführen und zur europäische Spitze aufzuschließen, so ein
Sprecher. «Betrachtet man die jüngsten Fortschritte, schreitet die
digitale Transformation in Deutschland in allen Dimensionen stetig
voran.» Insbesondere beim Glasfaserausbau sei die Dynamik hoch und
man sei zuversichtlich, bis 2030 jeden Haushalt zu versorgen.