Streit um EU-Asylreform: Faeser sieht Fortschritte bei Verhandlungen
28.09.2023 12:43
Kommt es zu einem Durchbruch in den Verhandlungen um die geplante
EU-Asylreform? Bundesinnenministerin Faeser zeigt sich vor dem
EU-Innenministertreffen optimistisch - doch die Hürden sind hoch, vor
allem für eine deutsche Regierungspartei.
Brüssel (dpa) - Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht nach dem
Einschreiten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Fortschritte in den
Diskussionen über ein umstrittenes Kernelement der geplanten
europäischen Asylreform. «Wir sind schon sehr weit gekommen in den
Verhandlungen heute Nacht», sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag
vor einem Treffen der EU-Innenminister in Brüssel. Über einzelne
Aspekte der sogenannten Krisenverordnung werde noch verhandelt. Sie
sei aber sehr zuversichtlich, dass Deutschland bestimmte Punkte noch
erreiche. Innerhalb der Ampel-Koalition hatte es
Meinungsverschiedenheiten mit Blick auf die Krisenverordnung gegeben.
Deutschland war in den vergangenen Tagen wegen seiner fehlenden
Zustimmung für die Krisenverordnung zunehmend unter Druck geraten. Am
Mittwoch hatte der Kanzler nach Angaben aus Regierungskreisen im
Kabinett den Kurs ausgegeben, dass sie nicht länger blockiert werden
dürfe.
Die Krisenverordnung ist ein zentrales Element der geplanten
EU-Asylreform, mit der unter anderem unerwünschte Migration begrenzt
werden soll. So soll etwa bei einem besonders starken Anstieg der
Migration der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen
unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem
könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die
geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt.
In Brüssel hatte die Bundesregierung ihre Ablehnung des Vorschlags
für die Verordnung bislang damit erklärt, dass dieses Regelwerk
EU-Staaten ermöglichen könnte, Schutzstandards für Migranten
inakzeptabel zu senken. In Deutschland äußerten Außenministerin
Annalena Baerbock und andere Politiker der Grünen zuletzt zudem
überraschend die Befürchtung, dass die Krisenregeln «Anreize für ei
ne
Weiterleitung großer Zahlen unregistrierter Flüchtlinge nach
Deutschland» setzen könnte.
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sagte am Mittwochabend dem
Nachrichtensender «Welt», der derzeitige Entwurf der Krisenverordnung
würde dazu führen, dass Staaten «die Leute einfach durchlotsen nach
Deutschland». Er bezeichnete das Vorhaben als «Chaos-Verordnung» fü
r
Deutschland. «Die Krisenverordnung hat Passagen, die so was sind wie
eine Dynamitstange hinter allen Regularien, die in der restlichen
Reform stehen», sagte er.
Im Rat der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel wurde vermutet, dass diese
Argumentation mit den bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und
Bayern in Verbindung stehen könnte, weil diese Linie in den
EU-Verhandlungen bis dato keine Rolle spielte. Den Plänen für die
Asylreform zufolge müssten die Mitgliedstaaten auch bei einem starken
Anstieg der Migration alle ankommenden Menschen registrieren. Eine
mögliche Verlängerung von Fristen dafür wäre zudem nur nach
vorheriger Zustimmung des Rates der Mitgliedstaaten möglich. Das
gleiche gilt auch für die Aufweichung von Schutzstandards. Es blieben
demnach auch in einer Krisensituation noch etliche
Kontrollmöglichkeiten, um Missbrauch zu verhindern.
Sobald der Streit über die Krisenverordnung beigelegt ist, können
wohl auch für die Reform wichtige Verhandlungen mit dem Europäischen
Parlament fortgesetzt werden. Denn das Parlament hatte zuletzt
angekündigt, Teile der Gespräche zu blockieren, bis sich die
EU-Staaten bei dem Thema Krisenverordnung positioniert haben.
Eine Verzögerung bei der Asylreform ist vor allem wegen der nahenden
Europawahl im Juni 2024 brisant. Projekte, die bis dahin nicht mit
den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten
anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern.
Im Fall der geplanten Reform des Asylsystems wäre dies ein besonders
großer Rückschlag. An dem Projekt wird bereits seit Jahren
gearbeitet. Vor allem rechte Parteien wie die AfD werfen der EU seit
langem Versagen im Kampf gegen illegale Migration vor.